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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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angegriffen. Ich wollte ihr immer nur helfen.«
    Karims Gesichtsausdruck war im Gegenlicht nicht auszumachen. Aber ich spürte die Feindseligkeit, die von ihm ausging, wie statisches Knistern von einem Radioapparat. Wieder besprach er sich mit seinen Freunden. Dann wandte er sich mir zu.
    »Was haben Sie mit meiner Schwägerin gemacht?«
    Darauf war ich nicht gefasst gewesen. »Wie bitte?«
    »Ich spreche von Alyssa Mahjoubi. Wo ist sie? Und warum hat sie sich vor einer Woche mit Ihnen getroffen?«
    Ich holte tief Luft. »Alyssa ist in Sicherheit«, antwortete ich. »Aber das hat nichts mit mir zu tun. Sie wohnt bei einer Freundin. Sie wollte es so. Ich habe damit nichts zu tun.«
    Karim nickte leicht. »Verstehe. Aber Madame Clairmont sagt, man hat Sie nachts mit einer jungen Frau am Fluss gesehen.«
    »Das stimmt so nicht …«, begann ich. Meine Güte, wie hilflos das klang. »Ich bin ihr zufällig begegnet. Sie hatte Probleme. Ich habe ihr geholfen. Das ist alles.«
    »Genauso wie Sie meiner Schwester geholfen haben?«
    Ich öffnete den Mund, sagte aber nichts.
    »Monsieur le Curé«, sagte Karim. »Sie haben hier einen gewissen Ruf. Bei mehr als einer Gelegenheit haben Sie Ihre Verachtung für Menschen, die anders sind, zum Ausdruck gebracht. Sogar Ihr Père Henri bestätigt das. Sie sind ein intoleranter Mensch. Sie üben gern Autorität aus. Sie haben versucht, den Bau der Moschee zu verhindern. Sie beziehen oft Stellung gegen den niqab. Einmal haben Sie versucht, eine Chocolaterie zu zerstören, weil diese nicht zu Ihren religiösen Ansichten passte. Meine Schwester hat mir erzählt, dass Sie vergangene Woche in ihr Haus eingebrochen sind. Und nun ertappen wir Sie dabei, wie Sie mit einem Benzinkanister um ihr Boot herumschleichen und sich aus der Stadt stehlen wollen.«
    Vor lauter Nervosität fing ich an zu kichern.
    »Finden Sie das komisch?«, sagte Karim.
    »Nein. Natürlich nicht. Aber Sie irren sich.«
    Karim lachte verächtlich. »Ich glaube, Ihr Père Henri wäre da anderer Meinung. Und nun sagen Sie uns gefälligst, wo Alyssa steckt und was Sie gestern hier gemacht haben.«
    Ich hätte versuchen müssen, ruhig zu bleiben, mon père. Aber ich wurde wütend. »Ich muss mich nicht rechtfertigen, vor Ihnen nicht und auch sonst vor niemandem«, schimpfte ich. »Alles lief reibungslos hier, bis Sie gekommen sind, Sie und Ihre Schwester. Seitdem werde ich bedroht, angegriffen, beschuldigt und gegen meinen Willen hier im Keller festgehalten. Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern. Was Alyssa betrifft, so kann ich Sie verstehen. Sie sind besorgt. Sie ist zu jung, um von zu Hause wegzugehen. Und wenn Sie mich freilassen, dann können wir uns zusammensetzen und gemeinsam eine Lösung finden.«
    Wieder wechselten Karim und seine Begleiter ein paar Worte in ihrem gutturalen Arabisch. Dann sagte Karim zu mir: »Entschuldigen Sie mich, Monsieur le Curé. Ich habe heute viel zu tun. Wenn ich wiederkomme, können wir uns hoffentlich unterhalten.«
    Wenn ich wiederkomme? Mir wurde bleischwer ums Herz. Jetzt erst merkte ich, dass ich fest mit meiner Freilassung gerechnet hatte.
    »Ich weiß nicht, was Sie sich davon versprechen, mich hier festzuhalten. Glauben Sie, Sie können mir ein Geständnis abpressen? Was soll ich denn gestehen? Ihre Schwägerin ist nicht in Gefahr, Karim. Sie ist bei Vianne Rocher.«
    Pause. Dann: »Bei Vianne Rocher?«
    »Richtig. Und jetzt …«
    »Was hat sie Ihnen erzählt?«
    »Überhaupt nichts. Lassen Sie mich jetzt endlich gehen?«
    Längeres Schweigen. »Das kann ich nicht.«
    »Aber warum nicht?« Meine Verzweiflung wuchs. »Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
    Karim kam einen Schritt näher. Jetzt konnte ich sein Gesicht klar erkennen. Was ich für Gelassenheit gehalten hatte, war in Wirklichkeit unterdrückter, heftig lodernder Zorn.
    »Meine Schwester Inès ist verschwunden«, sagte er. »Sie und das Kind sind verschwunden, nachdem ich Sie gestern dabei ertappt hatte, wie Sie versuchten, das Boot anzuzünden, in dem Inès und ihre Tochter schliefen. Natürlich könnten wir die Polizei rufen. Aber wie viel Unterstützung hätten wir da zu erwarten? Deshalb behalten wir Sie hier, Curé, bis Sie uns die Antworten geben, die wir brauchen. Inshallah, ich hoffe sehr, dass Sie beim nächsten Mal die Wahrheit sagen.«
    Mit diesen Worten gingen er und seine Begleiter hinaus und verriegelten die Tür hinter sich.
    Ich fluchte erneut in allen Sprachen. Und dann setzte ich mich auf die

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