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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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gerade rosig aussieht.
    Ich bin schätzungsweise seit einem Tag und einer Nacht hier. Bisher ist niemand gekommen, um mich über den Grund meiner Gefangenschaft aufzuklären oder, noch besser, um mich freizulassen. Ich hatte gehofft, der oder die Täter würden bei nüchterner Betrachtung kalte Füße bekommen, beschließen, dass ich nun genug gestraft sei, und mich einfach gehen lassen. Dieser Fall ist nicht eingetreten, und allmählich frage ich mich, ob ich meine Lage nicht zu optimistisch eingeschätzt habe. Wie lange will man mich hier festhalten? Warum bin ich überhaupt hier? Und vor allem: Wer hat sich zum Richter über mich aufgeschwungen?
    Über mir hämmerte das Laufband, regelmäßig, wie ein Herzschlag, gelegentlich untermalt vom Geräusch anderer Fitness-Geräte. Ich hatte nicht erwartet, dass in Saïds Fitness-Studio so ein lebhafter Betrieb herrscht. Inzwischen kann ich die verschiedenen Geräte unterscheiden: das Tock-tock des Laufbands, das Quietschrums des Rudergeräts, das Ack-ack-ack der Trimm-dich-Räder, das angestrengte Bong der Hanteln. Es finden auch Kurse statt: Dann höre ich neben emsigem Füßescharren immer wieder aufmunternde Zurufe. Gymnastik? Kampfkunst? Schwer zu sagen, aber soweit ich es beurteilen kann, ist die Hälfte der männlichen Bevölkerung von Les Marauds da oben, trampelt mehr oder weniger im Takt und hat vermutlich nicht die leiseste Ahnung, dass ich hier unten im Keller hocke.
    Ich habe noch einmal versucht, um Hilfe zu rufen. Wieder keine Reaktion. Eine halbe Stunde lang ruhte oben jede Aktivität – vermutlich wegen der Gebetszeit. Währenddessen war ein komisches Geraschel in den Wänden zu hören. Ratten, nehme ich an. Sie treiben sich hier überall in den Kellerräumen herum. Dann setzte das Laufband wieder ein.
    Ich kletterte auf die Kisten und spähte nach draußen. Der Regen hatte aufgehört. Die Aussicht war ebenso öde wie gestern: eine Backsteinmauer, vor der sich Müll angesammelt hatte, Löwenzahn zwischen den Steinen. Ich war kurz davor, noch einmal um Hilfe zu rufen, da sah ich ein kleines, rundes, neugieriges Gesicht, das mich (verkehrt herum) zwischen rosaroten Gummistiefeln hindurch anstarrte. Kaffeebraune Augen, die verblüfft blinzelten.
    »Bist du ein Dschinn?«, fragte Maya.

2

    Donnerstag, 26. August
    Nach einer unruhigen Nacht – ich dämmerte nur im Halbschlaf dahin – ging ich los, um nachzusehen, ob Reynaud endlich wieder da war. Ich war nicht die Einzige. In der Rue des Francs Bourgeois sah ich Caro Clairmont vor Reynauds Hintertür Hof halten, neben ihr Joline und Bénédicte. Offenbar kam Caro das Verschwinden von Monsieur le Curé suspekt, wenn nicht sogar unheimlich vor.
    »Meiner Meinung nach täte Père Henri gut daran zu überprüfen, ob es in den letzten Monaten auf den Gemeindekonten ungewöhnliche Bewegungen gegeben hat«, verkündete sie, als ich herantrat. »Man kann sagen, was man will, aber wo Rauch ist, da ist auch Feuer, und nach allem, was hier passiert ist …« Sie warf mir einen missbilligenden Blick zu. Sicher ist meine Anwesenheit für sie auch so etwas wie eine »ungewöhnliche Bewegung«. Der Blick ihrer blassblauen Augen haftete auf mir wie Kreidestaub. »Falls er sich natürlich mit diesem Mädchen eingelassen hat …«
    »Mit welchem Mädchen?«, fragte ich.
    Caro lächelte schmallippig. »Mit einem der Mädchen aus Les Marauds. Laut Louis Acheron wurde er letzte Woche ungefähr um Mitternacht neben der Brücke mit jemandem gesehen. Mit einer Maghrebinerin, allem Anschein nach.«
    Ich zuckte die Achseln. »Na und?«
    »Aber wer war das? Louis sagt, sie hat einen Schleier getragen.«
    »Die Hälfte der Frauen aus Les Marauds ist verschleiert«, meldete sich Charles Lévy zu Wort, der hinter seinem Gartenzaun stand und zuhörte.
    »Aber hat die Hälfte der Frauen aus Les Marauds ein mitternächtliches Rendezvous mit Monsieur le Curé?« Caros Stimme war zuckersüß wie ein baba au rhum.
    »Wer weiß.« Das war Bénédicte. »Ich habe gehört, dass Joséphine Muscat sich in letzter Zeit ausgesprochen gut mit ihm versteht.«
    Caro und Joline schauten mich an.
    »Es wäre nicht das erste Mal«, sagte Caro.
    »Was heißt das?«
    Sie schenkte mir gleich noch ein honigsüßes Lächeln. »Sie ist Ihre Freundin, warum fragen Sie sie nicht? Und was Reynaud betrifft, so war sein Verhalten – nun, sagen wir mal unvorschriftsmäßig. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich habe Père Henri angerufen. Er wird wissen, was zu tun

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