Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
Wirbelsturm.
»Entschuldigen Sie«, sagte er. »Was können Sie schon tun? Vergessen Sie am besten meine Bitte.«
Ich lächelte. »Selbstverständlich helfe ich Ihnen, wenn ich kann. Aber unter einer Bedingung …«
Er musterte mich mit düsterem Blick. »Und die wäre?«
»Meine Güte – essen Sie doch endlich Ihren Pfirsich!«
Das erste Viertel
1
Montag, 16. August
Vormittags kam Luc vorbei. Reynaud hatte ihm gesagt, dass wir hier sind. Wir saßen gerade beim Frühstück – Pfirsiche und heiße Schokolade in Armandes zusammengestückeltem Geschirr, ihrem alten Porzellan, das durchscheinend ist wie Haut, an den vergoldeten Rändern angeschlagen und handbemalt mit den traditionellen Mustern des Sous-Tannes, dieses kleinen länglichen Vierecks, das durch den Fluss Tannes, der später in die größere Garonne mündet, vom Rest des Département Gers abgeschnitten ist. Auf Anouks Schale war ein Kaninchen abgebildet, auf Rosettes ein paar Hühner und auf meiner bunte Blumen und darunter in schnörkeliger Schrift ein Name: Sylvie-Anne.
Eine Verwandte vielleicht? Die Schale sah schon etwas älter aus. Eine Schwester, eine Cousine, eine Tochter, eine Tante. Vielleicht wäre es schön, eine Schale mit meinem eigenen Namen zu haben. Ein Geschenk von meiner Mutter oder ein Erbstück von meiner Großmutter. Aber welcher Name wäre es, Armande? Welcher meiner vielen Namen?
»Vianne!«
Ein Ruf unterbrach meine Gedankenspiele. Luc stand in der offenen Tür. Seine Stimme ist tiefer geworden, und er stottert nicht mehr wie als Kind. Aber er sieht genauso aus wie früher. Braune Haare, die ihm in die Augen hängen, ein Lächeln, das offen und verschmitzt zugleich ist.
Er umarmte erst mich und dann Anouk, während er Rosette nur neugierig musterte. Sie begrüßte ihn mit gebleckten Zähnen und einem frechen kleinen Affengeräusch – »kak-kakk!« –, was ihn erst ganz durcheinanderbrachte, aber dann musste er lachen.
»Ich habe was für euch«, sagte er, »aber anscheinend seid ihr ja schon fertig mit dem Frühstück.«
»Keine Sorge«, entgegnete ich mit einem Grinsen. »Von der guten Luft hier kriegen wir einen Bärenhunger.«
Luc grinste ebenfalls, verteilte frische Croissants und pains au chocolat und sagte: »Da ich daran schuld bin, dass ihr hier seid, könnt ihr gern hier wohnen, solange ihr wollt. Grand-mère würde das gefallen.«
Ich fragte ihn, was er mit dem Haus vorhabe, nun da er der offizielle Besitzer sei.
Er zuckte die Achseln. »Weiß ich noch nicht. Vielleicht ziehe ich selbst hier ein. Das heißt, wenn meine Eltern …« Er brach den Satz ab. »Ihr habt sicher schon von dem Brand gehört.«
Ich nickte.
»Es kann ja immer passieren, dass es irgendwo brennt«, sagte er. »Aber Maman denkt, da war noch etwas anderes im Spiel. Ihrer Meinung nach hat Reynaud den Brand gelegt.«
»Glaubt sie das ernsthaft?«, fragte ich. »Und was denkst du?«
Ich dachte an Caro Clairmont. Sie ist eine der gnadenlosesten Tratschbasen in Lansquenet und genießt es geradezu, wenn es einen Skandal oder sonst irgendein Drama gibt. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, mit welcher Schadenfreude sie Reynauds Abstieg verfolgte und wie sie mit geheucheltem Mitgefühl tat, als würde sie die Gerüchte eindämmen.
Luc zuckte wieder die Achseln. »Na ja, ich konnte ihn ja noch nie besonders gut leiden. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass er es getan hat. Ich finde ihn kalt und stur, aber so was würde er nicht tun.«
Luc ist in der Minderheit. Wir hörten das Gerücht an dem Tag noch über ein Dutzend Mal. Von Narcisse, der uns Gemüse aus seinem Laden brachte, von Poitou, dem Bäcker, von Joline Drou, der Lehrerin, die uns mit ihrem Sohn besuchte. Bis auf eine überraschende Ausnahme schien ganz Lansquenet heute durch Les Marauds zu kommen. Die Nachricht von unserer Ankunft verbreitete sich wie Löwenzahnsamen im Wind.
Vianne Rocher ist wieder da, sagten alle. Vianne Rocher ist endlich wieder zu Hause.
Aber das ist absurd. Ich habe ein Zuhause. Es liegt am Quai de l’Elysée. Ich gehöre nicht hierher, genauso wenig wie vor acht Jahren, als Anouk und ich in dieses Dorf geweht wurden. Und doch –
»Es wäre ganz einfach«, sagte Guillaume. »Du kannst die alte Chocolaterie wieder herrichten. Ein bisschen Farbe … wir helfen auch alle mit.«
Ich bemerkte ein Blitzen in Anouks Augen.
»Du solltest mal unser Hausboot in Paris sehen«, sagte ich. »Gleich unter dem Pont des Arts, und morgens liegt über dem Fluss ein
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