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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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und dass sie nicht bereit gewesen war, nach Hause zu gehen, dass sie sich aber auch stur geweigert hatte, ihr rätselhaftes Tun zu erklären.
    »Ich habe sie früher gut gekannt. Sie heißt Alyssa Mahjoubi und ist die Enkelin des alten Mahjoubi, sie ist gerade mal siebzehn, ein Mädchen aus einer guten, ehrlichen Familie. Ich habe schon tausendmal mit ihnen geredet, sie waren immer alle höflich und nett. Es gab nie irgendwelche Probleme. Bis Inès Bencharki hier aufgetaucht ist.«
    Wieder dieser Name. Bencharki. Die Frau, deren Schatten hinter jedem Bild in dieser Galerie hervorlugt, deren Gesicht undeutlich bleibt, wie etwas, das man in einem Stapel Karten nur flüchtig wahrnimmt.
    »Ich weiß, Sie glauben mir nicht«, sagte Reynaud ruhig. »Vielleicht habe ich dieses Misstrauen ja verdient. Aber hier hat sich vieles verändert, seit Sie uns verlassen haben. Und ich – kann ich das so sagen? Ich habe mich verändert.«
    Ich überprüfte seine Farben. Ja, er meinte, was er sagte. Aber Selbsterkenntnis war noch nie seine Stärke. Ich kenne ihn, und ich kenne Leute wie ihn – Menschen mit guten Absichten.
    »Ich weiß, was Sie denken«, sagte Reynaud. »Ich habe meine Vorurteile. Aber in diesem Fall, das versichere ich Ihnen …« Er fuhr sich mit der Hand durch die glatten Haare. »Tja. Also, ich will nicht so tun, als wäre ich begeistert gewesen von dieser Mädchenschule direkt vor meiner Nase. Wir haben schließlich schon eine Schule, und die Mädchen waren dort willkommen. Und ich will auch nicht so tun, als wäre ich damit einverstanden, dass die jungen Mädchen alle mit Kopftuch herumlaufen. Ich finde es falsch, wenn man sie zu Scham erzieht oder der Angst, ihr Gesicht zu zeigen. Egal, was diese Frau ihnen beibringt – gesund ist es nicht, und es ist auch nicht richtig. Aber ich habe mich bemüht, neutral zu bleiben. Ich habe versucht, meine persönlichen Gefühle herauszuhalten. Ich fühle mich verantwortlich für die Menschen hier im Dorf, und ich habe getan, was ich kann, um Spannungen zu vermeiden.«
    Ich dachte daran, was der alte Mahjoubi gesagt hatte, und lächelte bei dem Gedanken an die Glocken von Saint-Jérôme auf der anderen Seite des Tannes, die mit dem Muezzin wetteiferten. Die Spannungen waren eindeutig schon viel länger da gewesen. Warum wurde alles auf Inès Bencharki geschoben? Was hatte sich durch ihre Ankunft verändert? Und wie konnte Reynaud so fest davon überzeugt sein, dass sie an allem schuld war?
    Ich stellte ihm diese Frage. Er zuckte die Achseln. »Sie haben keinen Anlass, mir zu vertrauen«, sagte er. »Ich weiß, es ist nicht das erste Mal, dass ich einer Frau mit einer kleinen Tochter vorwerfe, in Lansquenet Unruhe zu stiften.«
    Zu meiner Verwunderung sah ich, dass seine Augen belustigt glitzerten. »Aber ich glaube«, fuhr er fort, »Sie würden mir zugestehen, dass ich meine Gemeindemitglieder kenne. Ich merke es, wenn sich etwas verändert. Und angefangen hat es mit Inès Bencharki.«
    »Wann?«, fragte ich.
    »Vor anderthalb Jahren. Saïd, der Sohn des alten Mahjoubi, hat Karim auf einer Pilgerreise kennengelernt. Und ehe wir es uns versahen, zog Karim hierher, und Saïd arrangierte eine Heirat zwischen ihm und seiner ältesten Tochter.«
    »Sonia.«
    »Ja, genau. Sonia.« Er hatte seinen Kaffee ausgetrunken und stellte die Tasse weg.
    »Und dann?«
    »Zwei Wochen lang haben sie in Les Marauds ohne Pause gefeiert. Es wurde gekocht, geredet, gelacht. Überall Blumen. Dutzende von Brautkleidern. Caro Clairmont war obenauf, organisierte multikulturelle Tage und wer weiß was. Joséphine machte auch mit, sie war früher gut mit Sonia und Alyssa befreundet. Sie kaufte sich für die Hochzeit einen aufwendigen Kaftan in einem der kleinen Läden am Boulevard des Marauds. Von überall her kamen Leute. Aus Marseille, aus Paris, sogar aus Tanger. Und dann …«
    »Dann drehte der Wind.«
    Er blickte mich verdutzt an. »Ja«, sagte er. »So war’s vermutlich.«
    Der Wind. Er spürt ihn auch. Erfüllt von Möglichkeiten, gefährlich wie eine schlafende Schlange. Zozie sprach vom Wirbelsturm, der alles vor sich hertreibt. Jahrelang kann er friedlich sein, so dass man schon fast glaubt, er sei gezähmt, doch dann weckt ihn plötzlich irgendetwas auf. Ein Seufzer, ein Gebet, ein Flüstern.
    »Seine Schwester kam zur Hochzeit«, erzählte Reynaud. »Eigentlich war es nicht geplant, dass sie bleibt. Im Haus war kein Zimmer für sie, und der alte Mahjoubi mochte sie nicht. Sie kam für

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