Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
Hilfe bittet, hat bereits seine ganze Welt auf den Kopf gestellt. Noch mehr kann seine Würde nicht verkraften.
»Natürlich bleibe ich noch«, sagte ich zu ihm. »Meinen Töchtern gefällt es hier. Und jetzt haben wir ja auch noch Alyssa.«
Er atmete hörbar aus. »Gut.«
Ich lächelte ihm zu und sagte mir, dass ich überempfindlich bin. Was macht es schon, wenn ich noch eine Woche hierbleibe? Wir sind doch gerade erst angekommen, und in Paris ist es im August nur scheußlich. Deswegen sind wir doch hierhergefahren. Um der Hitze der Großstadt zu entkommen. Und da wir jetzt schon mal hier sind, können wir auch noch ein bisschen bleiben und die Tage genießen. Jedenfalls bis der Autan beginnt. Bis wir wissen, in welche Richtung der Wind – der Schwarze oder der Weiße – weht.
2
Donnerstag, 19. August
Nachdem Reynaud gegangen war, versuchte ich, Roux anzurufen. Der Empfang ist schlecht in Les Marauds. Als ich eine gute Stelle fand, war sein Handy wieder nicht an. Ich schickte ihm wenigstens eine SMS:
Bleibe vielleicht noch eine Woche. Ist alles okay? Gibt viel zu besprechen – bitte, mach endlich dein Handy an! Liebe Grüße von uns allen, Vianne x
Zu Hause war Alyssa wach und auch schon angekleidet, aber sie trug nicht die schwarze abaya aus der vergangenen Nacht, die ich extra für sie gewaschen und getrocknet hatte, sondern eine Jeans von Anouk und eine gelbe Leinenbluse, ihren hijab ordentlich umgeschlungen.
Anouk war ebenfalls schon auf, zerzaust und verschlafen, und Rosette frühstückte: heiße Schokolade und einen Teller Pasta von gestern Abend.
»Der Strom ist angeschaltet worden!«, verkündete Anouk, als ich hereinkam. »Wir haben Strom! Wir können fernsehen! Ich kann meinen iPod aufladen!«
Gut. Das bedeutet: heißes Wasser. Mit Eimern zu duschen ist eine Weile ganz nett, aber wenn man seit vier Jahren auf einem Hausboot wohnt und immer nur mit begrenzten Wassermengen duschen kann – oder in einem öffentlichen Schwimmbad –, ist ein richtiges Bad etwas Herrliches.
Ich wandte mich an unseren Gast. In Anouks Klamotten sah sie aus wie höchstens fünfzehn. Sie ist ziemlich zart gebaut, noch dünner als Anouk. Ich begrüßte sie mit ihrem Namen, sie nickte, erwiderte meinen Gruß aber nicht.
»Ich würde dir gern ein Frühstück anbieten«, sagte ich.
Das Mädchen zuckte die Achseln.
»Ja, ich weiß, es ist Ramadan. Wenn du morgen noch hier bist, können wir alle frühstücken, bevor es hell wird, und erst nach Einbruch der Dunkelheit zu Abend essen. Für uns ist das kein Problem, und du fühlst dich dann sicher wohler.«
Wieder nickte Alyssa, und diesmal wirkte sie auf mich ein bisschen entspannter.
»Anouk kennst du ja schon«, sagte ich. »Dann möchte ich dir Rosette vorstellen.«
Rosette blickte von ihrer heißen Schokolade auf und winkte zur Begrüßung mit ihrem Löffel.
»Sie redet auch nicht viel«, sagte ich. »Aber sie ist sehr lustig.«
Rosette machte ein komisches Gesicht und stellte in Gebärdensprache eine Frage.
»Sie möchte wissen, ob du Affen magst.«
Alyssa schaute sich unsicher um.
»Du wirst bald merken, dass Rosette Affen sehr gernhat. Eigentlich ist sie selbst fast so was wie ein Affe.«
Rosette krähte und sang ein Lied, das aus einer Abfolge wortloser Halbpfiffe bestand. Alyssa lächelte kurz, dann senkte sie besorgt den Blick.
»Das reicht. Lass unserem Gast ein wenig Zeit. Vielleicht könntest du draußen spielen, während Alyssa und ich uns unterhalten. Wer weiß, vielleicht triffst du Pilou.«
»Pilou!«, rief Rosette schwärmerisch und trabte hinaus. Es ist schön für sie, dass sie gleich einen Freund gefunden hat, sagte ich mir wieder. Roux fehlt ihr sehr, das ist klar, aber Pilou ist inzwischen auch schon wichtig für sie, fast noch wichtiger als Bam. Das freut mich. Egal, wie sehr mich sein abwesender Vater beschäftigt – der Junge ist für uns alle ein Geschenk.
Ich gab Anouk durch ein Zeichen zu verstehen, sie solle bleiben. In der Nacht hatte ich das Gefühl gehabt, dass sie schon einen Zugang zu unserer jungen Besucherin gefunden hatte. Ich nahm Alyssas Hand und lächelte ihr zu. Ihre Finger waren auffallend kalt.
»Ich weiß, dass du nicht reden willst«, sagte ich. »Das ist okay. Du brauchst nicht zu reden, wenn du keine Lust hast. Aber es gibt ein paar Dinge, die ich wissen muss, damit ich dir helfen kann. Verstehst du das?«
Sie nickte.
»Erstens: Soll ich irgendjemanden anrufen? Deine Mutter, deinen Vater?«
Sie schüttelte
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