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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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Briefschlitz: »Es tut mir leid, mon père. Ich habe nicht nachgedacht.«
    »Zehn Ave-Maria.«
    »Jawohl, mon père.«
    Danach sprach es sich in Blitzgeschwindigkeit herum, dass Monsieur le Curé durch seinen Briefkastenschlitz die Beichte abnimmt. Gilles Dumarin kam als Nächster, unter dem Vorwand, er wolle für den Blumenetat der Kirche Spenden sammeln, aber in Wirklichkeit brauchte er einen guten Rat wegen seiner Mutter. Nach ihm erschien Henriette Moisson, um Vergebung für eine Sünde zu erbitten, die sie begangen hatte, als ich noch ein Embryo war. Dann kam Guillaume Duplessis und fragte mich, ob ich etwas brauche. Dann Joline Drou, die Caro darüber informieren wollte, dass sich hier etwas Seltsames abspielte. Schließlich tauchte sogar Caro persönlich auf. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, einen Vorwand zu erfinden, sondern warf mir ganz direkt (durch die Tür) vor, ich hätte etwas zu verbergen.
    Ich saß auf der Fußmatte und seufzte: »Caro, gehen Sie. Bitte.«
    »Ich gehe erst, wenn Sie mir gesagt haben, was los ist«, verkündete Caro unbeirrt. »Haben Sie getrunken? Ist das der Grund?«
    »Natürlich nicht.«
    »Dann machen Sie endlich die Tür auf!«
    Ich weigerte mich, und sie ging wieder, kam aber am Abend noch einmal vorbei, und zwar mit Père Henri. Ich überlegte kurz, ob ich so tun sollte, als wäre ich nicht da, aber als Caro ans Fenster trat und durch die Läden spähte, begriff ich, dass sie nicht aufgeben würde.
    Also öffnete ich die Tür.
    »Du meine Güte, Francis!«
    Ja, Henri, ich weiß, wie ich aussehe. Zum großen Teil sind es nur oberflächliche Blessuren, aber dramatisch sehen sie trotzdem aus. Einen Moment lang amüsierte ich mich fast über die fassungslosen Gesichter. Aber der Bischof braucht ja nur noch einen einzigen kleinen Vorwand, um mich zu versetzen. Und jetzt hat er ihn vermutlich gefunden. Natürlich sei das alles nicht meine Schuld, versicherte Père Henri (meint aber das Gegenteil), doch dieser Angriff auf meine Person beweise, dass ich die Behauptung, man bringe mir in Lansquenet Vertrauen entgegen, nicht länger aufrechterhalten könne. Und auch meine Glaubwürdigkeit sei dadurch endgültig in Frage gestellt. Dem Wohlbefinden meiner Herde zuliebe und zu meiner eigenen Sicherheit (sagt er), würde ich in eine andere Gemeinde versetzt. Es dauere vielleicht noch eine Woche oder so, aber die Räder seien schon in Bewegung gesetzt. Dann könne ich meine soziale Kompetenz in einem innerstädtischen Bezirk aufpolieren und einer größeren Gemeinde predigen und endlich die Bedürfnisse einer Gruppe mit verschiedenen Glaubensrichtungen verstehen lernen.
    Na ja, darauf falle ich nicht rein. Nicht eine Sekunde. Ich weiß, dass ich bestraft werde. Wahrscheinlich ahnt der Bischof gar nicht, wie hart diese Strafe für mich ist. Für ihn sind alle Priester gleich, wie Bauern beim Schachspiel. Aber ich wohne quasi schon mein ganzes Leben in Lansquenet. Wenn ich von hier wegmuss, verliere ich einen wesentlichen Teil meiner Identität. Ich weiß, ich war nicht immer so aufgeschlossen oder so gehorsam, wie ich hätte sein sollen. Ich habe mich vielleicht zu häufig den Veränderungen verweigert, habe den Vorgesetzten widersprochen. Meine Haltung gegenüber den Flussleuten war nie besonders herzlich. Manchmal bin ich ungeduldig mit meiner Herde. Mit den Maghrebinern erst recht. Kurz gesagt: Ich betrachte Lansquenet schon immer als mein persönliches Lehnsgut, ich habe meine eigenen Regeln aufgestellt und mich verhalten wie ein Diktator und ein Richter. Aber trotzdem, mich von hier wegzuholen –
    Die Nacht kommt. Mir tut alles weh. Ich höre, wie der Schwarze Autan triumphierend heult, während er den Ruf des Muezzins übers Wasser zu mir trägt.
    Autan blanc, emporte le vent.
    Autan noir, désespoir.
    Und zum ersten Mal packt mich die Angst, mon père. Nein – die Verzweiflung. Der Wind, der so oft für mich geweht hat, packt mich jetzt beim Genick. Er hat die Flussratten vertrieben. Er hat Viannes Chocolaterie geschlossen. Ich dachte immer, der Wind sei auf meiner Seite. Ich dachte, ich stünde hier wie ein Fels in der Brandung, unerschütterlich und mannhaft entschlossen.
    Aber heute Abend rüttelt der Wind an meiner Tür. Ich bin nicht mehr unerschütterlich. Hier will mich keiner mehr. Und nun befürchte ich, mon père, dass ich derjenige bin, der fortgeweht wird.

6

    Dienstag, 24. August
    Seine Stimme war so nah, als wäre er nur ein paar Meter weg. Ich erschrak fast,

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