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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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anders –
    Für jemand anders?
    Für eine alleinstehende Frau und ihr Kind. Roux wollte nicht mit mir hierherfahren, obwohl er doch zu ein paar Freunden in Lansquenet immer noch Kontakt hat, wie ich weiß. Joséphine will nicht mit mir über den Vater ihres Sohnes reden. Vor vier Jahren, als Roux noch hier war, war Pilou vier, also alt genug, um zu reisen. Vielleicht. Alt genug, dass Joséphine überlegen konnte, mit ihm flussaufwärts zu ziehen.
    Hat Roux sie gebeten, gemeinsam mit ihm von hier wegzugehen? Hat sie das abgelehnt? Hat er es sich anders überlegt? Hat sie in Lansquenet darauf gewartet, dass er zu ihr zurückkommt, während er in Paris mit mir zusammengelebt hat?
    So viele unbeantwortete Fragen. So viele Zweifel. So viel Angst. Die Zeit vergeht, Liebhaber und Freunde werden fortgeweht wie Blätter im Wind. Meine Mutter ist nie länger als ein paar Wochen mit einem Mann zusammengeblieben. Sie hat immer gesagt: Nur Kinder sind wirklich treu, Vianne. Viele Jahre habe ich mich an dieses Motto gehalten. Dann kam Roux, und ich sagte mir, dass es für jede Regel eine Ausnahme gibt.
    Vielleicht habe ich mich ja geirrt. Vielleicht bin ich hierhergekommen, um genau das zu begreifen.
    »Alles in Ordnung bei dir?« Das war Zahra.
    »Ja, klar.« Ich schaute sie an. »Sag mir, Zahra, warum trägst du als Einzige in der Familie einen niqab? Deine Mutter und deine Schwester tragen keinen, oder?«
    Erschrockene Augen unter dem Schleier.
    »Hat es etwas mit Inès zu tun?«
    »Irgendwie schon. Vielleicht. Also, jedenfalls – da wohnt sie.« Zahra schaute zu dem schwarzen Hausboot. »Aber ich glaube nicht, dass sie mit dir reden wird.«
    Sie ging und ließ mich am Ende des Boulevard des Marauds im Regen stehen. Der Himmel war noch dunkler geworden – wahrscheinlich würden wir den Vollmond heute Abend gar nicht zu sehen bekommen. Ich hörte, wie die Kirchturmuhr vier Mal schlug, schwer und erdrückend wie die Luft. Ich schaute zu Roux’ Boot. Still und stumm lag es da am Ufer des Flusses. Was hatte es mit Inès Bencharki auf sich? Omi hatte sie als Skorpion bezeichnet, der den Fluss überqueren will. Aber in der Fabel ertrinkt der Skorpion.
    In dem Moment fing das Handy in meiner Tasche an zu klingeln. Ich schaute auf das Display. Die Nummer des Anrufers erschien.
    Ja, klar. Wer sonst?
    Es war Roux.

5

    Dienstag, 24. August
    Nichts bleibt lange geheim. Jedenfalls nicht in Lansquenet. Ich bin seit zwei Tagen nicht aus dem Haus gegangen, und der Tratsch hat schon begonnen. Joséphine kann ich keinen Vorwurf machen. Auch Pilou nicht. Ich weiß. Angefangen hat es heute Morgen, als Charles Lévy vorbeikam, um sich über das Verschwinden seiner Katze zu beklagen.
    Ich öffnete die Tür nur einen winzigen Spaltbreit, um ihm zu sagen, dass es mir nicht gutgeht. Aber Charles Lévy ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er kniete sich auf die Stufe direkt vor der Haustür und redete mit mir durch den Briefschlitz. Seine Stimme zitterte, weil er krampfhaft versuchte, sich unter Kontrolle zu halten.
    »Es ist wegen Henriette Moisson, père. Sie lockt meinen Otto in ihr Haus, gibt ihm zu fressen und nennt ihn Tati. Das ist doch eine regelrechte Entführung oder Freiheitsberaubung oder etwas Ähnliches, nicht wahr?«
    Ich antwortete ihm von hinter der Tür: »Finden Sie nicht, dass Sie es ein bisschen zu persönlich nehmen?«
    »Diese Frau hat meine Katze gestohlen, père. Das muss ich doch persönlich nehmen.«
    Ich versuchte, ihm die Situation zu erklären. »Henriette Moisson ist einsam, sonst nichts. Vielleicht könnten Sie einmal mit ihr reden …«
    »Das habe ich doch schon längst versucht! Sie leugnet alles und sagt, sie hätte die Katze gar nicht gesehen. Sie behauptet, sie hat die Katze seit Tagen nicht mehr gesehen, aber ihr ganzes Haus riecht nach Fisch.«
    Mein Schädel brummte. Meine geprellten Rippen taten martialisch weh. Ich war nicht in der Stimmung, mir das noch länger anzuhören.
    »Monsieur Lévy!«, schimpfte ich los. »Hat Gott uns nicht aufgetragen, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst? Irre ich mich vielleicht, hat Gott etwa gesagt, wir sollen uns so viel wie möglich über unseren Nächsten beschweren und jede noch so schäbige Ausrede benutzen, um in unserer Nachbarschaft Zwietracht zu säen? Hätte Jesus etwas dagegen einzuwenden gehabt, wenn eine einsame alte Frau gelegentlich seine Katze füttert?«
    Schweigen auf der anderen Seite der Tür. Schließlich hörte ich wieder die Stimme durch den

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