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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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aber ihre Stimme blieb so leise und hart wie vorher. »Ich bin im vierten Monat schwanger, M’sieur le Curé«, sagte sie. »Wenn er sich jetzt von mir scheiden lässt, stehe ich ganz alleine da. Dann kriege ich gar nichts. Er kann hierbleiben oder nach Marokko zurückgehen. Ich habe keine Rechte. Verstehen Sie?«
    »Warum sollte er sich denn von Ihnen scheiden lassen?«, fragte ich sie.
    »Er lässt sich sofort scheiden, wenn er herausfindet, dass ich das Feuer gelegt habe. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, er betet Inès an. Und mein Vater hilft mir garantiert nicht. Für ihn ist Karim so eine Art Lieblingssohn. Meine Mutter glaubt, er ist ein Engel, der vom jannah gekommen ist, um uns zu erlösen. Und was Inès betrifft …«
    Sie wandte den Blick ab. Der Muezzin begann seinen Gebetsruf. Eigentlich ist es ja eher eine Art Gesang, wenn man den Kontext ignoriert. Der Schornstein der alten Gerberei bietet einen sehr effizienten Resonanzkasten, und in wenigen Augenblicken werden die Straßen wieder voller Menschen sein. Meinen stillen Abgang kann ich vergessen.
    Sonia sagte: »Er geht nachts immer zu ihr. Ich höre, wenn er aus dem Bett aufsteht. Und wenn er zurückkommt, riecht er nach Parfum und nach ihr. Ich weiß genau, dass er zu ihr geht. Das spüre ich. Ich kann alles sehen und spüren und hören, aber sagen kann ich nichts. Sie hat ihn verhext. Er steht unter ihrem Bann. Genau wie ich.«
    Das ist doch albern, père. Ich habe den Talar abgestreift, und jetzt nehme ich schon wieder die Beichte ab. »Hexen gibt es nicht«, erklärte ich. »Haben Sie mit Karim gesprochen?«
    »Nein.«
    »Wieso nicht?«
    »Ich hab’s versucht. Aber er wird immer gleich wütend. Und dann sagen meine Mutter und mein Vater, ich bin nicht gehorsam. Sie finden, ich soll mehr wie Inès sein, bescheiden und respektvoll.«
    »Und Ihr Großvater? Haben Sie sich ihm anvertraut?«
    Zum ersten Mal entdeckte ich ein Lächeln in ihren Augen. »Der gute jiddo. Er wohnt nicht mehr bei uns, deshalb sehe ich ihn nur noch ganz selten. Mein Vater und er haben sich gestritten, Vater sagt, er hat einen schlechten Einfluss auf mich. Und jiddo nimmt es meinem Vater übel, dass er seinen Platz in der Moschee eingenommen hat. Jiddo lebt jetzt bei den Al-Djerbas, bei der Familie von meinem Onkel Ismail. Sie sagen, er ist krank und wird bald sterben.«
    »Das tut mir leid.« Es stimmte wirklich. Mohammed Mahjoubi lebt seit vielen Jahren hier. Wir sind uns in vielen Dingen nicht einig, aber ich halte ihn für einen ehrlichen Mann. Wenn er stirbt, wird er eine große Lücke in der Dorfgemeinschaft hinterlassen. Ich wollte, man könnte das auch von mir sagen.
    »Gehen Sie nach Hause«, befahl ich ihr. »Und ziehen Sie sich um. Ihre Kleidung stinkt nach Benzin.«
    Sie musterte mich unsicher. »Aber … Sie verraten Karim und meinem Vater nichts?«
    »Nein, ich verrate nichts. Solange Sie Inès in Ruhe lassen. Egal, was zwischen euch ist, Sie müssen sich offen und ehrlich damit auseinandersetzen. Mit Worten, heißt das, und nicht mit so gefährlichem Quatsch.«
    »Versprechen Sie mir, dass Sie nichts sagen?«
    »Wenn Sie mit dem Unsinn aufhören.«
    Sie seufzte. »Okay.«
    »Zwei Ave-Maria.«
    Verdutzt blickte sie mich an.
    »War nur Spaß.«
    Ich glaube, man muss Priester sein, um das witzig zu finden, père. Aber sie lächelte mit den Augen. Das mag ich.
    »Jazakallah, Curé«, murmelte sie.
    Dann huschte sie davon.

2

    Mittwoch, 25. August
    Die ganze Nacht über glitt ich von einem Traum in den nächsten und erwachte schließlich in der Morgendämmerung, als die Haustür ins Schloss klickte. Ich setzte mich auf. Da war ein Schatten hinter dem Glas – eine Gestalt in schwarzem Gewand, das Gesicht verschleiert.
    »Alyssa?«
    Ich knipste das Licht an. Sie stand in der Tür, aber das Einzige, was man hinter dem Schleier von ihr sah, waren die Augen. Es war nicht Alyssa. Jetzt merkte ich erst, es war eine viel zierlichere Person, die nicht unter einer abaya steckte, nein, sie trug einen schwarzen Mantel, der ihr viel zu groß war.
    »Du’a?«
    Sie schaute mich an. Ihre Stimme klang verblüffend erwachsen: »Ich muss mit Alyssa reden.«
    Ich stand auf und warf mir meinen Morgenmantel über. »Ja, klar. Ist etwas passiert?«
    Sie musterte mich geringschätzig. Ganz ähnlich wie Anouk mit neun Jahren, wenn ich ihrer Meinung nach überhaupt nicht kapierte, was los war.
    »Ich hole sie«, sagte ich.
    Du’a folgte mir hinauf in die Dachkammer. Alyssa war schon wach

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