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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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mir nicht, aber ich wusste, dass er trotzdem anbeißen würde. Ihretwegen. Wegen Vianne Rocher.
    »Ich gehe zu ihr und rede mit ihr.«
    »Das wäre ein kapitaler Fehler.«
    »Wieso?«
    »Vianne will Sie noch nicht sehen. Sie müssen ihr Zeit lassen. Sie können nicht erwarten, dass sie sich so hopplahopp entscheidet.«
    Sein Blick sagte mir, dass er genau das erwartet hatte.
    Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Wissen Sie was?«, sagte ich. »Ich rede mit ihr. Ich werde versuchen, sie dazu zu bringen, die Dinge aus Ihrem Blickwinkel zu sehen. Aber Sie sollten sieweder besuchen noch anrufen oder ihr schreiben. Glauben Sie mir –«
    »Weshalb sollte ich Ihnen glauben?«
    Na ja, ich hatte ja gewusst, dass er ein harter Brocken sein würde, aber so allmählich wurde es mir doch zu dumm. Ich gab meiner Stimme eine gewisse Schärfe. »Weshalb Sie mir glauben sollten? Weil ich Viannes Freundin bin und weil es mir wichtig ist, was mit ihr und den Kindern passiert. Und wenn Sie auch nur eine Minute lang aufhören könnten, immer nur Ihre Wunden zu lecken, dann würden Sie merken, dass sie Zeit braucht, um nachzudenken. Ich meine – wo waren Sie denn die letzten vier Jahre? Und woher soll sie wissen, dass Sie nicht sofort wieder abhauen? Thierry ist nicht perfekt, das stimmt, aber er ist hier, und er ist zuverlässig, was man von Ihnen nicht gerade behaupten kann –«
    Manche Leute reagieren eher auf Schroffheit als auf Charme. Roux gehört offensichtlich zu dieser Sorte. Auf einmal klang er wesentlich kooperativer.
    »Verstehe«, sagte er. »Es tut mir leid, Zozie.«
    »Werden Sie also tun, was ich Ihnen sage? Sonst hat es nämlich überhaupt keinen Sinn, dass ich Ihnen zu helfen versuche.«
    Er nickte.
    »Versprochen?«
    »Ja.«
    Ich seufzte. Der schwierigste Teil war geschafft.
    Eigentlich schade. Ich finde ihn ja schon ziemlich attraktiv, trotz allem. Aber vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Erst dann sind sie bereit, uns einen Gefallen zu tun, und ich werde sie am Ende des Monats um einen riesigen Gefallen bitten, so viel steht fest.

7

    M ITTWOCH , 5 . D EZEMBER
    Heute war Suze wieder da. Sie hatte eine Mütze auf statt des Tuchs und versuchte, die verpasste Zeit wieder wettzumachen. Beim Mittagessen steckten sie und Chantal wie immer die Köpfe zusammen, und danach ging’s los mit den gehässigen Bemerkungen und mit dem ewigen Wo steckt denn dein Freund? und den blöden Annie ist Es -Spielen.
    Jetzt ist wirklich Schluss mit Lustig. Was sie machen, ist nicht mehr nur gemein, sondern total fies. Sandrine und Chantal erzählen allen davon, wie sie letzte Woche in der Chocolaterie waren. In ihrer Erzählung ist unser Laden eine Kombination aus Hippiehöhle und Müllhalde. Und sie lachen die ganze Zeit wie bekloppt.
    Und außerdem war leider auch noch Jean-Loup krank, und ich war wieder ganz allein. Eigentlich ist mir das egal. Aber es ist nicht fair. Wir haben uns solche Mühe gegeben, Maman, Zozie, Rosette und ich, und dann kommt diese doofe Chantal mit ihren Freundinnen daher und tut so, als wären wir nichts als lauter blöde Versager.
    Normalerweise würde mich das nicht weiter interessieren. Aber eigentlich wird doch alles immer besser, seit jetzt auch noch Zozie bei uns eingezogen ist, und das Geschäft läuft sehr gut, der Laden ist immer voll mit Kunden, jeden Tag, und dann ist auch noch Roux wie aus dem Nichts erschienen –
    Aber das ist jetzt schon vier Tage her, und er hat sich noch nicht wieder blicken lassen. Ich musste in der Schule die ganze Zeit an ihn denken und habe mir überlegt, wo sein Boot liegt oder ob eruns vielleicht angelogen hat und irgendwo unter einer Brücke schläft oder in einem leer stehenden Haus, so wie in Lansquenet, nachdem Monsieur Muscat sein Boot abgefackelt hat.
    Ich konnte mich im Unterricht gar nicht konzentrieren, und Monsieur Gestin schrie mich an und sagte, ich würde nicht aufpassen, sondern träumen, und Chantal und Co. kicherten natürlich sofort los, und ich konnte nicht mal mit Jean-Loup darüber reden.
    Und heute wurde alles noch viel schlimmer. Als ich nach der Schule neben Claude Meunier und Mathilde Chagrin in der Schlange stand, kam nämlich Danielle zu mir, mit dieser geheuchelt besorgten Miene, die sie oft aufsetzt, und sie sagte: »Stimmt es eigentlich, dass deine kleine Schwester behindert ist?«
    Chantal und Suze standen ganz in unserer Nähe und machten unbeteiligte Pokergesichter. Ich konnte allerdings an ihren Farben sehen, dass

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