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Himmlische Wunder

Himmlische Wunder

Titel: Himmlische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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Suzanne und Chantal uns neugierig beobachteten und vor lauter Staunen zu kichern vergaßen. Niemand kichert über Zozie. Und außerdem wäre ihr das sowieso egal. Suzanne blieb der Mund offenstehen (nicht sehr vorteilhaft), und Chantal neben ihr war fast so grün wie Zozies Pullover.
    »Sind das deine Freundinnen?«, fragte Zozie, als wir ausstiegen.
    »Nicht richtig«, sagte ich und verdrehte die Augen.
    Zozie lachte. Sie lacht oft und ziemlich laut, muss ich sagen, und es scheint ihr nichts auszumachen, wenn die Leute glotzen. Sie war sehr groß in ihren Plateaustiefeln. Ich hätte auch gern welche.
    »Und warum kaufst du dir keine?«, sagte Zozie.
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ich finde, dein Stil ist eher – konventionell.« Es gefällt mir, wie sie das Wort konventionell ausspricht, mit diesem Blitzen in den Augen, das ganz anders ist, als wenn sich jemand lustig macht. »Ich hätte dich ein bisschen origineller und eigenwilliger eingeschätzt – wenn du weißt, was ich meine.«
    »Maman möchte nicht, dass wir anders sind als die anderen.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich?«
    Wieder zuckte ich die Achseln.
    »Na ja, jeder soll’s machen, wie er möchte. Hör zu, ein Stück die Straße runter ist ein Café, in dem es die besten Saint-Honorés jenseits des Paradieses gibt – hättest du Lust, hinzugehen und zu feiern?«
    »Was gibt’s zu feiern?«, fragte ich.
    »Ich werde eure Nachbarin!«
    Klar, ich weiß, dass ich nicht mit fremden Leuten mitgehen darf. Maman hat mir das schon oft genug gesagt, und man kann nicht in Paris leben, ohne auf sich aufzupassen. Aber das hier war anders, und außerdem gingen wir in ein Café, oder genauer gesagt, in einen englischen Tea-Shop, den ich vorher noch nie gesehen hatte und in dem es, wie Zozie schon angekündigt hatte, ganz tolle Kuchen gab.
    Allein wäre ich nie dorthin gegangen. Solche Cafés machen mich nervös – Glastische und Damen in Pelzmänteln, die aus feinen Porzellantassen erlesene Tees trinken, und Kellnerinnen in schwarzen Röckchen, die mich und Zozie misstrauisch musterten, mich in meiner Schuluniform und meinen zerzausten Haaren und Zozie in ihren violetten Plateaustiefeln, als könnten sie es nicht fassen, dass es Leute wie uns gibt.
    »Ich finde dieses Café großartig«, flüsterte Zozie. »Es ist absolut schräg. Und dabei nimmt es sich selbst total ernst!«
    Es nahm auch seine Preise ernst. Viel zu teuer für mich – zehn Euro für ein Kännchen Tee, zwölf für eine Tasse Schokolade.
    »Ist schon gut. Ich lade dich ein«, sagte Zozie, als ich das Thema ansprach. Wir setzten uns an einen Ecktisch. Eine mürrischdreinschauende Bedienung, die aussah wie Jeanne Moreau, brachte uns die Speisekarten und machte dazu ein Gesicht, als hätte sie schlimme Schmerzen.
    »Du kennst Jeanne Moreau?«, fragte Zozie erstaunt.
    Ich nickte, immer noch ein wenig nervös. »Sie war wunderbar in Jules und Jim .«
    »Ja, nicht wie diese Arschtüte hier«, sagte Zozie mit einem Blick zu unserer Kellnerin, die gerade mit süßem Lächeln zwei stinkreich aussehende Damen mit identischen Blondfrisuren bediente.
    Ich prustete los. Die Damen schauten erst mich an, danach Zozies violette Schuhe. Dann steckten sie tuschelnd die Köpfe zusammen, und ich musste sofort an Suze und Chantal denken und bekam einen ganz trockenen Mund.
    Zozie musste etwas bemerkt haben, denn sie hörte auf zu lachen und musterte mich besorgt. »Was ist los?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht. Irgendwie hatte ich auf einmal das Gefühl, die Leute da drüben lachen über uns.« Chantal geht immer mit ihrer Mutter in solche Cafés, versuchte ich zu erklären. In Cafés, in denen extrem dünne Damen in pastellfarbenen Kaschmirkostümen Zitronentee trinken und keinen Kuchen essen.
    Zozie schlug die Beine übereinander. »Das liegt daran, dass du kein Klon bist. Klone passen sich an. Freaks fallen auf. Soll ich dir sagen, was ich besser finde?«
    Wieder zuckte ich die Achseln. »Ich kann’s mir denken.«
    »Aber du bist nicht ganz überzeugt.« Sie grinste mich spitzbübisch an. »Schau her.« Und sie schnippte mit den Fingern in Richtung der Kellnerin, die aussah wie Jeanne Moreau, und exakt in dem Moment stolperte diese über ihre Stöckelschuhe, so dass das Kännchen mit Zitronentee auf den Tisch vor ihr knallte und die Tischdecke nass wurde und die heiße Flüssigkeit in die Handtaschen der Damen und auf ihre teuren Schuhe lief.
    Ich schaute Zozie an.
    Sie grinste immer noch.

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