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Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Titel: Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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Fest.
Eros im Alltag
    An meine Ehefrau
     
Live is a ceremony in itself – worth
being celebrated by a ceremony
.
Angaangaq
     

     

Eros’ Elternabend
Wenn Sie sich nach wahrer
Leidenschaft sehnen, müssen Sie
ein hinreißender Liebhaber und eine hingerissene Geliebte sein; sonst
sind da nur zwei Kumpel, die sich
entscheiden, miteinander ins Bett
zu gehen
.
David Deida
     
    Seit Wochen schreibe ich nun sonderbare Briefe. Begonnen hat das alles mit dem Versuch, einer eigenartigen Erfahrung Herr zu werden, die mich letzten Sommer in der Toskana überraschte – eine Erfahrung, von der ich dir schon einiges erzählt habe, die zu deuten mir aber bislang nicht gelungen war. Und so begann ich ein fiktives Gespräch mit unserer D, in das ich später andere Freunde einbezogen habe. Daraus ist nun unversehens ein Buch entstanden, das mir jetzt endlich reif genug scheint, um es auch dir vorlegen zu können – dachte ich. Doch als ich es noch einmal las, wurde mir klar, dass noch manches darin fehlt und dass dein klarer Verstand und praktischer Sinn unzweifelhaft die Frage aufwerfen würden, wie ich diese Lebensform, die ich darin skizziere und die du so gut von mir kennst, anderen Menschen andienen möchte. Das heißt: wie man die „erotische Lebenskunst“, wie ich sie nenne, ganz normalen Menschen vermitteln kann. Zumal ich ja selbst immer wieder sage, dass die Liebe – Eros – etwas ganz Normales ist und dass sie gerade nicht kraft unseres Willens herbeigezwungen werden kann. Ich bin mir sicher, dass du es etwas praktischer und weniger euphorisch haben möchtest. Deshalb habe ich beschlossen, den schon vorliegenden Briefen ein Kapitel hinzuzufügen: ein Kapitel an dich, meine Liebste – über die Kunst, erotisch zu leben, auchwenn man – wie wir – schon seit Jahren gemeinsam lebt, Kinder hat, den Alltag meistern und dabei durch so manches Tal und manche Krise gehen muss; kurz: wenn man ein einigermaßen normales Leben führt.
    Das Erste, was mir dazu einfällt, ist wieder einmal eine alte Geschichte. Natürlich, auch sie steht bei Platon, auch sie wird in seinem
Symposium
von der weisen, sehr praktischen Apollonpriesterin Diotima erzählt. Es ist die Geschichte von der Zeugung des Eros. Und sie handelt davon, dass Eros am Tage der Geburt der Aphrodite – der goldglänzenden, unwiderstehlichen Schönheit – gezeugt wurde. Das, sagt Diotima, habe sich wie folgt zugetragen: Penia, die Mutter des Eros, deren Name „Bedürftigkeit“ bedeutet, hatte den Wunsch gefasst, ein Kind zu empfangen; und zwar von einem gewissen Poros, der damals zu dem Festmahl geladen war, das die Götter anlässlich der Geburt der Aphrodite feierten.
Poros
heißt „Ausweg“ oder auch „Durchlass“ (unser Wort Pore kommt daher), und sein Charakter wird beschrieben als äußerst findig und schlau, einer, der nie um eine Lösung verlegen ist, der immer einen Ausweg findet, weil er sich auszudrücken weiß. Davon ist an diesem denkwürdigen Festabend aber nichts zu merken. Poros trinkt sich am Göttertisch einen Rausch an, den er später im Garten auszuschlafen gedenkt. Da findet ihn Penia, die sich zu ihm legt, um – wie Diotima dezent formuliert – „den Eros zu empfangen“. Was soll die Geschichte?
    Zunächst ist daran wichtig, dass Eros einen Vater und eine Mutter hat, will sagen: Er lebt aus der Polarität der Geschlechter. Nur wo Männliches und Weibliches zusammenkommen, kann die erotische Liebe entstehen. Aber was heißt hier „männlich“ und „weiblich“? Es geht nicht um die Qualitäten von Männern und Frauen, oder zumindest nicht primär; es geht um so etwas wie Grundenergien des Lebens, die wegen ihres unterschiedlich ausgeprägten Auftretens bei den Geschlechtern als weiblich und männlich bezeichnet werden können: eine Qualität des Sich-Öffnens, des Sichdes-eigenen-Mangels-bewusst-Seins, der wachen Empfänglichkeit (
Penia
), eine Qualität des Gestalt-Gebens, der Kreativität, des Sich-Ausdrücken-Könnens (
Poros
). Ersteres ist das mütterliche Erbe des Eros, Letzteressein väterlicher Anteil. Wo beide Grundenergien zusammenfinden und zum Ausgleich kommen, da entsteht die Liebe. Sie sind wie die Scheiben eines Generators zwischen denen ein Funken springt und die Energie des Lebens sich entzündet.
    Das Charmante an der Geschichte der Diotima liegt für mich nun darin, dass in ihr die Rollen geradewegs vertauscht sind: Penia, die Mutter, verhält sich sehr kreativ, aktiv, findig; während Poros, der Vater,

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