Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
vor allem in die Verantwortung. Dem Anspruch und Zuspruch des Lebens an mich antworte ich, indem ich dieVerantwortung für dieses Leben übernehme. Denn nicht allein als Poet und Künstler kann ich auf den Zuspruch des Lebens antworten; so wichtig dies ist, denn Schönheit zu schaffen ist schließlich ein Akt der Liebe, der die Liebe befeuert. Doch mindestens ebenso wichtig ist, in meinem Tun und Handeln die Verantwortung meines Herzens zu bekunden. Beherzt zu agieren und meiner Verliebtheit ins Leben Taten folgen zu lassen. Die Liebe muss sich bewähren – nicht, um auf diese Weise Prüfungen zu bestehen und ihre Verlässlichkeit zu beweisen. Nein, nein, solche moralischen Modelle liegen mir fern. Ich meine: Meine Liebe muss sich insofern bewähren, als sie nur in der Tat und im Handeln sich selbst bekundet, ihre Wahrheit zeigt. Deshalb ist Eros, in Diotimas Worten, so ein findiger Geselle. Weil er immer neue Wege und Mittel ersinnt, um sich zu zeigen und darin seiner Verantwortung gegenüber dem Leben, das er zu sich selbst bringen will, zu genügen.
Mir scheint also, dass Diotima Recht hat, wenn sie neben der Empfänglichkeit das kreative Vermögen des Menschen zur zweiten erotischen Grundkraft erhebt. Nur fragt sich auch hier: Wie bringen wir das in unserem Alltag unter? Wo ist der Platz zwischen Kindern und Küche, Garten und Haushalt, Computer und Waschmaschine, an dem du dem „Luxus“ der Kreativität nachgehen könntest? Ich kenne deine Antwort: „Den gibt es nicht; nicht in dieser Zeit; der Zeit der Kinder und der Mehrfachbelastungen.“ Und ich fürchte, du hast Recht. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht leicht, Liebesgedichte zu schreiben oder Liebeslieder zu komponieren. Aber vielleicht müssen wir ja auch gar nicht gleich so hoch greifen. Es gibt ja auch andere Möglichkeiten, Schönes zu schaffen und etwas schön zu machen; oder eben auch dich schön zu machen; oder es dir schön zu machen. Ob nun im Garten oder im Haus, ob mit einem Strauß Blumen oder ein bisschen Musik. Egal was: Hauptsache, du tust etwas, das du aus dem Herzen tust und womit du deinem Herzen Ausdruck verleihst. Dann kann Eros darin wohnen und sich langsam breitmachen. In der Liebe sein ist gar nicht so schwer.
Und dazu gehört eben auch das verantwortliche Handeln, das sich für das Leben einsetzt – auf welche Weise auch immer; wenn es denn nur beherzt,
con amore
, geschieht. Ja, ich glaube, dass wir unser Tagewerk in einer solchen Haltung
con amore
meistern können, ohne uns dabei gleich wer weiß was Großes vernehmen zu müssen. Wenn es uns umgekehrt nur gelingt, uns immer wieder kurze Auszeiten zu gönnen, in denen wir uns aufmachen und auf „empfänglich“ schalten. Jedenfalls stelle ich fest, dass es zuweilen gelingt. Etwa, wenn wir am Wochenende viel im Freien waren und dann beherzter und couragierter in die Woche starten. Mir scheint, es braucht gar nicht so viel – auch wenn ich selbst mich immer nach mehr Zeit zum Schreiben sehne usw. –, um dem Zuspruch des Lebens zu antworten. Ich bin mir sicher, dass wir – je mehr wir uns wechselseitig darin unterstützen – viel Herzenskraft und Freude, viel Mut und Leidenschaft in unser tägliches Tun bekommen und uns so von Tag zu Tag mehr in das Leben verlieben, ja tiefer miteinander in der Liebe sind.
Klar: Wenn der Tag kommt, an dem die Kinder aus dem Haus sind und du wieder mehr Zeit für dich hast, dann würde ich mir und dir wünschen, dass du wieder zu musizieren beginnst; oder noch mal ein neues Instrument lernst; oder tanzen gehst; oder egal, was dir gerade einfällt, um deiner Liebe zum Leben – dieser Liebe, in der du mit mir bist – Ausdruck zu verleihen. Was es auch sein mag: Es wird dem Eros in dir Flügel wachsen lassen – so dass du immer mehr aus seiner Kraft leben kannst; so dass du dem Leben in seinen vielen Ansprüchen gewachsen bist und seinem Zuspruch verantwortlich, beherzt und kraftvoll antworten kannst – so dass dir und mir und uns das Leben zu einem Fest gerät.
Schenken und
sich beschenken lassen
Geschenke, die man sich gibt, sind
Bilder Gottes, seiner Güte für uns
.
Albert Schweitzer
Was wäre ein Fest ohne Geschenke? Was wäre das Fest des Lebens, ohne zu schenken und beschenkt zu werden? Schenken ist pure Erotik. Wenig verrät so viel über den tristen Zustand unserer Kultur wie die Tatsache, dass die Menschen die Fähigkeit verlernt haben, zu schenken und – schlimmer noch – sich beschenken zu lassen. „Wir
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