Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

entwickelt. Sie geben ihrem Herzen Ausdruck und erzeugen eine Welt der Schönheit um sich. Aber ihre eigentümliche, weibliche Energiequelle scheint mir doch in ihrer Gabe zu liegen, sich dem Zuspruch und Anspruch des Lebens wirklich hingeben zu können. Ich weiß von dir und anderen Frauen, die es als Befreiung erleben, sich tatsächlich ganz in diese Weiblichkeit fallen zu lassen: die es sich erlauben, nicht alles selbst machen und organisieren zu müssen; die es sich zugestehen, beschenkt zu werden; die es als äußerst entspannend erleben, nichts werden zu müssen, sondern einfach satt und glücklich sein zu dürfen.
    Leider sehe ich aber auch, dass in unserer Umgebung viele Frauen genau diese Fähigkeit verloren haben, und schlimmer noch, verlieren wollen. Sie wollen sich nicht angehen lassen, sie wollen stattdessen alles kontrollieren und in den Griff bekommen. Aber damit betrügen sie sich um ihre Weiblichkeit und um ihr Leuchten. Stattdessen hasten sie durchs Leben, werden grau und bitter. Sie schlüpfen – oft gezwungenermaßen – in die Rolle von Männern, organisieren und managen, wo sie nur können, und machen dies meist nicht einmal schlecht. Nur glücklich werden sie nicht dabei. Eher neigen sie (zunehmend) zu Depressionen oder werden zu Burn-out-Patientinnen. Und am Ende erscheinen sie als farblose Zwitterwesen, die weder männlich noch weiblich sind. Schrecklich, aber häufig.
    Und die Männer? Leuchten die auch? Das will ich doch hoffen, auch wenn nach meinem Eindruck die leuchtenden Männer ähnlich seltene Exemplare ihrer Spezies sind. Oh, wie ich hoffe, in deinen Augen dennoch zu leuchten! Wenigstens von Zeit zu Zeit. Und deshalb wäre für mich schon viel gewonnen, wenn du meiner Theorie über die Ursache männlichen Leuchtens folgen könntest. Wie bei den Frauen, will es mir scheinen, ist es bei näherem Hinsehen das Herz, das die eigentliche Lichtquelle eines strahlenden Mannes ist. Beherzt soll er sein – beherzt in seinem Auftreten und entschlossen in seinem Handeln. Der Weg des wahren Mannes, sagt Deida, ist der Weg seiner Bestimmung. Er muss wissen, was seine Lebensaufgabe ist, und ihr konsequent folgen. Er muss bereit sein, dafür alles andere zurückzulassen. Oder in meinen Worten: Er muss seine Seele entdecken, ihrer besonderen Stimmung Ausdruck verleihen und sie ins Werk zu setzen vermögen, wenn er im vollen Sinne Mann sein und zur Blüte seines Geschlechts gelangen möchte.
    Allerdings steht es um uns Männer derzeit nicht viel besser als um euch Frauen. Denn wenn ich mich umschaue in der Welt, sehe ich zwar viele Bubis und Bürschchen, aber keine Männer. Ich sehe Pubertierende in Nadelstreifenanzügen, große Jungs, die in der Business-Welt Cowboy und Indianer spielen. Ich sehe unreife Männer, die nur um sich selbst kreisen und dabei weit hinter dem zurück bleiben, was Männer eigentlich sein könnten. Zumindest dann, wenn man Richard Rohr folgt, der vier Archetypen des Männlichen unterscheidet, die voll zu entfalten – zu initiieren, wie er es nennt – die eigentliche männliche Reife ausmacht: den Krieger, der seine Emotionen beherrschen gelernt hat und seine Aggression beherzt in den Dienst des Lebens und nicht seines Ich zu stellen weiß; den Liebhaber, der nicht um seiner Lust willen Frauen verführt, sondern sich offenherzig und hingebungsvoll ins Leben in all seinen Gestalten verliebt; den Weisen, der sein Wissen nicht um seiner Macht willen missbraucht, sondern mit der Weisheit des Herzens zum Wohle des Lebens einsetzt; und den König, der beherzt und weise zugleich ist und darin zur Meisterschaft des Lebens gelangt. Aber wo sind sie, fragst du, die Könige? Ich weiß esnicht. Ich weiß nur, dass es ein langer Weg ist, ein solcher zu werden; und dass ich ihn gehen möchte, um das Feuer der Liebe in deinem und meinem Herzen lebendig zu halten.
    Natürlich wird mir auch das nur gelingen, wenn ich als Mann meine weiblichen Anteile entfalte: wenn ich mich empfänglich mache für das, was das Leben mir bietet – wenn ich in Demut und Offenheit hinhöre, mein Herz ent-schließe, um dann entschlossen, verantwortungsvoll und beherzt auf das zu antworten, was das Leben an mich heranträgt. Wahrscheinlich verhindert gerade das Fehlen dieses weiblichen Anteils in vielen Männern, dass sie reifen und erwachsen werden. Sie verleugnen ihre eigene Bedürftigkeit und sind auf diesem Auge blind für die Wirklichkeit der Liebe. Ihnen fehlen Demut und Empfänglichkeit. Ohne starke