Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
aneinanderband. Doch sind wir heute in unserer Erotik reifer und freier. Jeder übernimmt die Verantwortung für sich und für unser gemeinsames Wir. Und mir scheint, dass wir auf diese Weise unseren Kindern einen guten, liebevollen Raum geben, in dem sie aufwachsen können.
Wenn du erlaubst, möchte ich diese Beobachtung noch einmal auf eine andere Ebene bringen. Wie du weißt, beschäftige ich mich schon seit langem mit der Erforschung der Funktionsweise lebendiger Systeme. Daraus ist bekannt, dass das Miteinander von Menschen nach einfachen Prinzipien funktioniert: Wo immer Menschen in Beziehungen zu einander stehen – sei es in einer Familie, einer Firma, oder in welchem „Wir“ auch immer –, ist das von ihnen gebildete System darauf ausgerichtet, mit sich selbst in einem fließenden Gleichgewicht zu sein. Es will ausbalanciert sein und richtet seine Bestandteile nach diesem Maßstab zueinander aus. Meistens gelingt das, aber die Zustände, in die das System dadurch versetzt wird, können recht unterschiedlich sein. Es gibt Gleichgewichts- oder Balance-Zustände, die zu einem hohen Preis erkauft werden; etwa dann, wenn ein „Mitglied“ des Systems gewaltsam die anderen in einen stabilen Zustand zwingt, oder wenn in einer Familie die Mutter extrem viel Energie in das System investiert, um den zentrifugalen Kräften entgegenzuwirken. Solche Zustände sind ungesund und kraftraubend, aber für das System vordergründig doch besser als das komplette Chaos. Und deshalb sind sie oft so hartnäckig. Wie viele Ehen „funktionieren“ nach diesem Prinzip! Und viele Menschen werden in diesen Ehen krank und energielos! Sie verpulvern sich in dem Bemühen, mit der ganzen Kraft ihres Ich die auseinanderdriftenden anderen Ichs zusammenzuhalten, zusammenzukleben. Und das nur, um am Ende doch zu scheitern – krank, geschieden,depressiv. Das kann also nicht das Ziel sein. Gleichgewicht und Balance um jeden Preis sind nicht erstrebenswert. Was dann?
Die Antwort lautet: Harmonie. Und damit ist in etwa das gemeint, was ich gerade rühmend an unserer Ehe dargestellt habe: der Zustand, in dem sich die einzelnen Systemmitglieder frei und kraftvoll entfalten und ihre Energie reibungslos dem Gesamtsystem zur Verfügung stellen können. So jedenfalls ließe sich das perfekte System – oder auch die perfekte Ehe – beschreiben. Ein schönes Bild dafür ist das Mobile, bei dem ganz viele Gewichte so aufeinander abgestimmt sind, dass sie sich immer wieder ausbalancieren: Gewicht und Gegengewicht, im leichten Spiel innigst verbunden.
Erste Voraussetzung dafür ist, dass die Partner (oder Systemmitglieder) mit sich selbst im Reinen sind. Systemtheoretisch gesprochen: Das innere Subsystem, das ich selbst bin, muss in sich ausbalanciert sein, um sich auch im äußeren Beziehungssystem harmonisch einbringen zu können. Dafür müssen die Partner aber möglichst viele Facetten ihrer Seele ins Bewusstsein gebracht und mit einer liebevollen Bejahung angenommen haben; und ebenso müssen sie sich ihrer vier Bewusstseinsdimensionen bewusst sein und diese gleichermaßen wertschätzend annehmen: das Ich genauso wie den Körper mit seinen Bedürfnissen, den eigenen Willen genauso wie das sexuelle Begehren; und ebenso sollten sie die Polarität ihrer männlichen und weiblichen Anteile in sich integriert und liebevoll angenommen haben. Denn in dem Maße, in dem ich meiner selbst durchsichtig werde, wird es mir möglich sein, die innere Harmonie und Balance herzustellen, die meine Seele mit sich und dem ihr übergeordneten Systemkontext (Partnerschaft, Familie) in Einklang sein lässt. Ja, je mehr mir das gelingt, desto stärker werde ich diese innere harmonische Schwingung auch auf andere Menschen ausstrahlen können.
Wo das der Fall ist, wäre dann auch die zweite Voraussetzung für ein wahrhaft harmonisches Miteinander erfüllt: dass du und ich als Partner oder Mitglieder eines Systems unsere Ich-Oberfläche durchbrochen haben und in unserem Seelenraum heimisch geworden sind. Geschieht dasnicht, könnten wir unmöglich mit uns im Reinen sein. Denn um mit uns im Reinen zu sein, müssen wir uns – jeder für sich und miteinander – mit dem liebenden Blick des Sowohl-als-auch anschauen und unsere inneren wie äußeren Widersprüche aushalten können. Das können wir aber nicht aus dem Ich, sondern nur, wenn wir dank des Eros unsere Ich-Oberfläche durchbrochen haben und in die Liebe gefallen sind.
Womit dann auch die dritte Voraussetzung
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