Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

gestellt – als die eigentliche und wahre Freundschaft. Diese Freundschaft hat auch ein „gemeinsames Drittes“, aber dieses gemeinsame Dritte ist nachhaltiger und tiefer. Es ist „das Gute“. Was heißt das? Echte, wahre Freunde oder Freundinnen sind darin verbunden, dass sie beide ihre – erotische – Leidenschaft darauf wenden, dass Gutes entstehe, und zwar überall: im Leben ihrer Freunde, in ihrem eigenen Leben, im Leben in der Welt. Das wiederum heißt aus meiner Sicht: Sie haben etwas gemeinsam, was sie von anderen Menschen unterscheidet. Sie sind erotisch reife Menschen – die ins Leben verliebt sind und deshalb überalldas Gute und Schöne wollen; die tief in ihren Seelenraum vorgedrungen sind und darin die tiefe Verbundenheit von und mit allem erfühlen und erfahren; denen Eros das Herz öffnet, so dass sie in ihrer erotischen Liebe zum Leben verbunden sind – auch und gerade dann, wenn sie dabei nicht ineinander verliebt sind.
    Dorthin zu kommen ist wie gesagt gar nicht leicht. Aber wenn es gelingt, dann stiftet dies eine Verbindung, die der unmittelbaren erotischen Verliebtheit kaum nachsteht; denn auch die Freundschaft ist vom Eros beseelt und getragen. Das gibt ihr Kraft und Haltbarkeit. Und ich glaube, meine Liebste, das ist das Geheimnis unserer Ehe – zumindest ein Teil davon.
    Wie blass nehmen sich neben einer solchen Freundschaft die ober-flächlichen Spielarten der Freundschaft aus, von denen ich zuvor sprach. Nicht, dass ich sie schlecht reden wollte. Sie sind völlig okay, aber eben zweidimensional, denn sie spielen auf der Ebene des Ich. Unsere tiefe Freundschaft dagegen ereignet sich in der dritten Dimension. Sie verbindet unsere Seelen. Das gibt ihr einfach mehr Tiefe und Qualität.
    Und Offenheit – denn diese von unserer geteilten Leidenschaft für das Gute getragene Freundschaft ist nicht nur auf unsere Ehe beschränkt. Es ist durchaus erlaubt, dass da jemand auftaucht, der in unserem Bund der Dritte ist – oder die Vierte, Fünfte … Denn wenn dir jemand begegnet, der genau wie du das Leben liebt, wirst du dich ihm nahe fühlen. Du erkennst in ihm eine verwandte Seele und fühlst dich eng mit ihm verbunden. Es spielt auf dieser Ebene dann keinerlei Rolle mehr, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Und es ist so gut wie sicher, dass dein Freund oder deine Freundin auch mein Freund oder meine Freundin werden wird. Und umgekehrt.
    Welche eine wunderschöne Form der Gemeinschaft doch entstehen kann, wenn wir mit anderen die gleiche Leidenschaft zum Leben teilen! Wir finden einen Kreis von Geistesverwandten. Wir werden uns treffen, wir inspirieren uns, wir machen uns Mut. Wir tauschen uns aus, wirhaben einen gemeinsamen Ort, wo wir zusammen das Leben als ein Fest feiern können. Manchmal wünsche ich mir, dass wir uns eines Tages von einer solchen Gemeinschaft umgeben wissen – einer Gemeinschaft, die getragen ist von einer gemeinsamen Liebe zum Leben; die uns sowohl den nötigen Raum der Intimität einer Paarbeziehung gewährt, als auch Räume und Zeiten kennt, in denen gemeinsam gearbeitet, gefeiert, gelebt wird. Noch sind solche Lebensformen selten. Aber die Sehnsucht nach ihnen wächst exponentiell, denn auch die Vereinzelung der Menschen nimmt stetig zu.
    Vielleicht wirst du sagen, dies sei doch eine gar zu romantische Vorstellung davon, wie eine erotische Lebenskunst im Leben manifest werden kann. Doch wenn wir uns etwas nicht einmal vorstellen können, wie soll es dann Wirklichkeit werden?

Erotik und Ethik
Lasst uns mitarbeiten auf dieser Welt,
dass Strukturen geschaffen werden,
in denen Leben nicht zerstört wird,
sondern erhalten und gepflegt wird.
Liebe lässt keine Zerstörung zu
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Karoline Mayer
     
    Nun, meine Liebste, da ist ein Thema, das uns noch eine Weile beschäftigen wird. Es ist das Thema „Kritik“. Wir beide neigen dazu, kritisch zu sein. Das ist gut so, aber auch tückisch. Denn wie jeder Mensch müssen auch wir uns davor hüten, dabei in die „Urteilsfalle“ zu tappen. Ich bin mir sicher, dass es kaum einen besseren Indikator dafür gibt, wie tief ein Mensch in die Liebe gefallen ist, als sein Unvermögen, Urteile zu treffen. Oder anders gesagt: Je tiefer du mit dem Licht deines Herzens und deiner Liebe den Innenraum deiner eigenen Seele durchleuchtest – je bewusster du dir deiner eigenen Schatten und blinden Flecken wirst –, desto weniger wirst du andere Menschen be- oder verurteilen. Es wird dir auch immer schwerer fallen, dich zu