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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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verändern!«, zischte er.
    Ich ließ mich nicht gern herumkommandieren, doch seine Sorge war durchaus berechtigt. Und der Umstand, dass ich am liebsten durch den Flur gelaufen wäre und mich Mircea an den Hals geworfen hätte, war ein Grund mehr, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf Casanovas Büro, aber obwohl ich es ganz deutlich vor mir sah, spürte ich nicht, von der Macht ergriffen und dorthin getragen zu werden. Ich versuchte es noch einmal, aber vermutlich mussten sich meine Batterien erst wieder aufladen, denn es geschah nichts.
    »Dieser Zug könnte Verspätung haben«, sagte ich, und mir war recht mulmig zumute. Ängste verschiedener Art krochen in mir empor. Gab es für das Ritual vielleicht eine Frist, die die frühere Pythia zu erwähnen vergessen hatte? Saß ich in dieser Zeit und an diesem Ort fest, weil die Macht es satt hatte, darauf zu warten, dass ich mich mit meiner angeblichen Bestimmung abfand? Vielleicht war sie des Wartens überdrüssig geworden und auf jemand anders übergegangen. In dem Fall waren wir in dieser Zeit gefangen. »Wovon zum Teufel reden Sie da?«, erwiderte Pritkin. »Bringen Sie uns sofort zurück!«
    »Ich kann nicht.«
    »Was soll das heißen, Sie können nicht? Jeder Moment, den wir hier verbringen, bedeutet Gefahr.«
    Pritkin schüttelte mich erneut, er bekam richtig Muffensausen, denn seine Stimme war rauer geworden. Mitgefühl durfte er von mir nicht erwarten – wie auch immer er sich fühlte, es war nichts im Vergleich mit meiner Stimmungslage. War mein Leben nicht schon chaotisch genug, auch ohne die Verantwortung einer Pythia? Wer auch immer diese Show leitete, konnte er mich nicht einige Dinge auf meiner eigenen Problemliste erledigen lassen, bevor er mich fortbrachte, damit ich mich um die Schwierigkeiten anderer Leute kümmerte? Es war nicht fair. Wenn ich etwas tun sollte … Na schön. Her damit.
    »Ganz langsam für Sie, zum Mitschreiben«, sagte ich und schüttelte Pritkins Hand ab. »Ich habe uns nicht hierher gebracht. Ich weiß nicht einmal, wo wir hier sind. Ich weiß nur, dass ich uns nicht zurückbringen kann, weil die Macht plötzlich beschlossen hat, mich nicht mehr zu mögen. Oder weil sie will, dass ich vorher etwas erledige.« Ich vermutete Letzteres – es konnte wohl kaum ein Zufall sein, dass ich ausgerechnet vor Mirceas Füßen gelandet war. Pritkin blieb skeptisch. Und wenn schon. Ich wandte mich von ihm ab und wollte herausfinden, ob Mircea die eine oder andere gute Idee hatte, doch Pritkins Hand schloss sich wie ein Schraubstock um meinen Arm. »Sie gehen nirgendwohin«, brummte er.
    »Es gilt, das Problem zu finden und zu lösen«, gab ich zurück. »Andernfalls gehen wir beide nirgendwohin. Ich muss mich umsehen und versuchen, mehr herauszufinden. Es sei denn, Sie können mir sagen, an welchem Ort und in welcher Zeit wir sind.«
    »Dies ist London, Ende 1888 oder Anfang 1889.«
    Ich hob eine Braue. Ich hatte kaum Hinweise auf die aktuelle Epoche gesehen, abgesehen von der Kleidung der Frau – Mirceas Aufmachung entsprach einem gehobenen Standard, der über einen weiten Zeitraum in gewissen Kreisen üblich gewesen war. Ich empfand es als ein wenig befremdlich festzustellen, dass sich Pritkin mit Frauenmode auskannte. Als ich eine entsprechende Bemerkung an ihn richtete, knurrte er und drückte mir ein Stück Papier in die Hand.
    »Hier! Jemand hat das fallen lassen.« Ich sah auf den gelbschwarzen Flyer hinab, den er mir gegeben hatte. Das Blatt zeigte einen Mann, der einen Hügel hinaufsah, auf dessen Kuppe drei alte Tanten standen. Sie erinnerten mich an die Graien, aber ihr Haar war besser. Dem Text unterm Bild entnahm ich, dass im Lyceum Theatre seit dem 29. Dezember 1888
Macbeth
aufgeführt wurde. »Na schön, großartig. Wir kennen also die Zeit, und das ist zumindest ein Anfang. Aber viel weiter bringt uns das nicht.« Ich wollte mich abwenden, doch diesmal hielt mich Pritkin mit Worten fest.
    »Je mehr Sie dem
Geis
geben, desto stärker wird er. Ganz zu schweigen davon, dass Prostituierte in dieser Zeit mehr Kleidung tragen als Sie im Augenblick. Sie würden erhebliche Unruhe schaffen, wohin Sie in dieser Aufmachung auch gehen.«
    »Woher wissen Sie von dem Zauber?« Ich fand es beunruhigend zu erfahren, dass ich jahrelang praktisch mit einem großen Schild herumgelaufen war, das alle sehen konnten, nur ich nicht.
    Pritkin zuckte kurz mit den Schultern. »Es wurde mir

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