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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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Getränk als nach einem Gast aus. Als hätte er meine Gedanken gehört, sah plötzlich ein Vampir in meine Richtung. Er hatte einen grau werdenden Spitzbart, der zum silbernen Brokat seiner Kleidung passte, die offenbar mit Wolfsfell abgesetzt war. Hinzu kam ein großer um die Schultern geschlungener Pelz. Die Art, wie er da stand-den einen Fuß auf der letzten Treppenstufe, die Nase gehoben, als nähme er Witterung auf-, hatte ebenfalls etwas von einem Wolf. Der Blick seiner dunklen Augen fand mich, und so etwas wie grimmiges Interesse erschien in seinem bis dahin leeren Gesicht.
    Von Panik erfasst kam ich auf die Beine und wankte in die Menge. Die einzige Tür weit und breit führte in den Ballsaal, und deshalb lief ich so dorthin, als hinge mein Leben davon ab, was durchaus der Fall sein mochte. Irgendwie gelang es mir, die Tür vor dem Vampir zu erreichen, vermutlich weil er zu höflich war, die anderen Gäste mit dem Ellenbogen zur Seite zu stoßen. Als ich den großen, dunklen Saal betrat, warf ich einen Blick über die Schulter und stellte fest, dass er nicht weit hinter mir war. Vorfreude glühte in seinen Augen, und ich spürte, wie sich ein flaues Gefühl in meiner Magengrube ausbreitete. Manche Vampire hatten es am liebsten, wenn sich ihre Nahrung fürchtete und zur Wehr setzte, und ich musste gleich beim ersten Versuch auf so ein Exemplar stoßen!
    Ich sah mich rasch im Ballsaal um, konnte jedoch keinen Ausgang erkennen. Die Treppe hätte mich warnen sollen – wahrscheinlich befanden wir uns in einem Kellergeschoss. Ich versuchte, mich zu konzentrieren, doch das war nicht leicht, während mir Energie wie ein Insektenschwarm über die Haut kroch. Sie galt nicht etwa mir, sondern war gewissermaßen Überlauf von den Wesen um mich herum. Eine weitere Erkenntnis reifte in mir heran und kam einem Schock gleich. Ich befand mich nicht nur in einem Raum voller Vampire – es waren Vampire des Meisterniveaus, Hunderte von ihnen.
    Synode, dachte ich benommen; es gab keine andere Erklärung. Jeder Senat veranstaltete einmal in zwei Jahren eine Versammlung, bei der Vampire des Meisterniveaus über Politik diskutierten. Ich hatte nie eine besucht, aber Tony hatte sich tagelang auf sie vorbereitet und sich dabei immer wieder neue Kleidung dafür zurechtgelegt – er war so aufgeregt gewesen wie ein Teenager, der zu einer Party wollte. Sein Gefolge hatte er so ausgewählt und ausgestattet, damit es einen möglichst großen Eindruck machte, aus gutem Grund. Die Synode bot ihm und den anderen Meistervampiren geringerer Stufen die einzige Möglichkeit, mit der Hautevolee in Kontakt zu kommen: den eigenen Senatsmitgliedern und Würdenträgern von Senaten in anderen Teilen der Welt. Stiefel wurden geleckt, Bündnisse geschmiedet und Entscheidungen für die nächsten beiden Jahre getroffen.
    Tony hatte an den Versammlungen immer bis an die Zähne bewaffnet und von Leibwächtern umringt teilgenommen, denn es konnte durchaus geschehen, dass die Unterhaltung außer Kontrolle geriet. Ich lief instinktiv in Richtung Orchester – seine goldenen Instrumente waren die hellsten Dinge im ganzen Saal – und hoffte, dass ich nicht ein weiteres Synodenopfer wurde. Das mit dem Orchester war natürlich eine miese Idee. Es gab dort keine Dienstbotentüren, Flure oder Ausgänge, nur einen großen Alkoven, umgeben von burgunderroten vorhängen. Ich sah zu meinem Verfolger zurück, der fast bis auf Armeslänge heran war, und plötzlich stockte mir der Atem.
    Entsetzt stellte ich fest: Was ich für ein Wolfsfell gehalten hatte, stammte nicht von einem Wolf, zumindest nicht nur. Die über die Brust reichenden Pfoten sahen ganz normal aus, erschienen mir allerdings ein wenig groß. Doch der in halber Höhe auf dem Rücken baumelnde Kopf hatte rosarote Haut und hellbraunes Haar. Ich hatte keinen guten Blick darauf und bekam ihn nur kurz unter dem Arm zu sehen, den der Vampir nach mir ausstreckte, doch das genügte. Meine Augen sagten mir, was der Verstand nicht glauben wollte. Der Vampir hatte einen Werwolf während seiner Verwandlung gehäutet – an den Schultern ging das graue Fell in menschliche Haut über. Ich versuchte, einen Zeitsprung einzuleiten, doch mir schwindelte und ich brachte einfach nicht die nötige Konzentration zustande. Mit einem Biss in die Innenseite der Wange kämpfte ich gegen die drohende Ohnmacht an und machte Anstalten, in den Orchestergraben zu klettern, in der Hoffnung, dort irgendwo einen verborgenen Ausgang zu

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