"Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten!" - die unglaublichsten Mitfahrgeschichten
ich das ausprobiere. Nur: Die Züge sind halt so teuer.«
Während wir noch über dies und das reden, fährt der erwartete grüne Volvo vor.
»Hallo, ich bin Wolfgang«, stellt sich der Fahrer, ein Mittvierziger, kurz vor und hilft uns, die Sachen im Kofferraum zu verstauen und Platz zu nehmen. Anja möchte lieber nach hinten, und so setze ich mich nach vorne auf den Beifahrersitz.
»Dann sind wir vollzählig«, sagt Wolfgang und lässt den Motor an. Es wird eine recht schweigsame Fahrt. Ich döse vor mich hin, bis Anja sich kurz vor Stuttgart räuspert: »Ähem,
können wir bitte mal anhalten?«, fragt sie schüchtern.
Ich kann es nicht fassen, als Wolfgang daraufhin den Kopf schüttelt. »Sorry, ich fahre die Strecke immer durch.«
Anja reagiert erst gar nicht, startet dann einen neuen Versuch: »Äh, ich muss aber dringend und halte es bis Heidelberg nicht mehr aus.«
Vergebens. Er habe da seine Prinzipien, erklärt Wolfgang, und dazu gehöre, dass er keine Pausen einlege.
So etwas ist mir noch nie untergekommen, und ich mische mich ein, fordere jetzt ebenfalls eine Toilettenpause.
Er wirft mir einen kurzen, kühlen Blick zu. »Das ist alles eine Frage der Körperbeherrschung. Wenn man will, dann kann man es zurückhalten.«
Während ich weiter mit dem Prinzipienreiter diskutiere, hebt die kleine Anja ihr Handy ans Ohr und ist mit einem Mal gar nicht mehr schüchtern.
»Hallo, Schatz«, hören wir sie plötzlich laut in den Hörer sagen, »du, ich muss dich mal was Juristisches fragen.«
Ich grinse, weil ich ahne, was jetzt kommt.
»Also«, fährt Anja extra laut fort, »wenn mich der Fahrer einer Mitfahrgelegenheit nicht aussteigen lässt, obwohl ich zur Toilette muss, ist das strafbar?«
Ich horche und beobachte Wolfgang, der bislang keine Regung erkennen lässt.
»Ach, tatsächlich?«, sagt Anja dann. »Freiheitsberaubung und Nötigung? Oh, eventuell sogar fahrlässige Körperverletzung? Okay, danke, gut zu wissen.«
Und dann setzt sie noch einen drauf. »Jaja, das Kennzeichen und den vollständigen Namen kann ich dir gleich per SMS schicken.«
Wolfgang verzieht zwar nach wie vor keine Miene, setzt allerdings an der nächsten Raststätte den Blinker.
Petra
Nichts für schwache Nerven
Es ist Anfang März, und ich sitze im Auto eines Eintracht-Frankfurt-Fans. Was nicht zu übersehen ist, denn der Wagen ist übersät mit Aufklebern, Minitrikots und anderen Utensilien. Außer mir wollen noch Severin und Torsten nach München.
Im Radio gibt es eine Liveschaltung zu allen wichtigen Spielen dieses Wochenendes. »Meinst du, ihr holt endlich mal einen Punkt?«, fragt Severin von hinten.
Zweifelnd schaut Fahrer Olli ihn durch den Rückspiegel an. »Was bist du für ein Fan?«
»Dortmund«, gibt er zurück, und Torsten raunt: »Ein Borusse, o Gott.«
»Und du?«, will Severin von ihm wissen. »Bestimmt ein Bayer, he?«
Als Letztes muss ich mich outen, nenne den VfL Bochum und ernte größtes Mitleid.
»So, Ruhe jetzt«, befiehlt Olli und dreht das Radio lauter, nur um schlechte Neuigkeiten zu hören: »Die Verunsicherung ist der Eintracht von Beginn an anzumerken.«
Olli schlägt aufs Lenkrad. »Die sollen Tore schießen, die Penner!«
»Also, was uns betrifft, wir haben gestern drei Punkte gegen Köln geholt«, grölt Severin.
»Ach, weißt du, lange kommt ihr so einfach auch nicht mehr durch. Am Ende sind wir es, die wieder ganz oben stehen.« Mit »wir« meint Torsten natürlich den FC Bayern.
»Ruhe«, mahnt Olli, denn schon geht es aus Frankfurt weiter: »Lediglich Verzweiflungsschüsse der Gäste, sonst einfach nichts«, lästert der Moderator.
Olli schlägt mit der Faust gegen das Radio: »So ein Arsch, ein arroganter. Sind gerade mal 30 Minuten gespielt.«
Doch es wird nicht besser. Während ich mich noch heimlich über die soeben besiegelte Auswärtsniederlage der Bayern freue, verkündet der Kommentator sein Fazit zum 0 : 0 aus Frankfurt: »Somit bleibt die Eintracht das schlechteste Team der Bundesligarückrunde.«
Olli boxt gegen das Radio, bis der Drehknopf abspringt. »Scheiße«, mault er, »ich glaube, ich such mir ein anderes Hobby.«
Petra
Der Wiederholungstäter
Für einen Trip von München nach Oberhausen habe ich unter anderem einen Burschen an Bord, der in Bonn rausgelassen werden möchte. Von Anfang an kommt er mir komisch und irgendwie unheimlich vor, und gleich denke ich an Aktenzeichen XY , und Plakate mit Fahndungsfotos geistern durch meinen Kopf.
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