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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ich natürlich vergessen gehabt, Sie nicht. Sie haben mich verdächtigt. Haben Sie die junge Frau inzwischen gefunden?«
    »Nein«, sagte Fischer. »Und es tut mir leid, daß wir Sie im Januar verdächtigt haben.«
    »Im Januar? So lang ist das her?« Madaira rieb die Füße mit den weißen Socken aneinander. Dann zupfte er an seinen Haaren, an unterschiedlichen Stellen des Kopfes, und rieb anschließend beide Daumen an den Fingern. Offensichtlich beglückte ihn die Konsistenz seiner Haare. »Und Sie entschuldigen sich wirklich bei mir?«
    »Ja.«
    »Warum denn?«
    »Es war nicht klug, was wir getan haben.«
    »Das stimmt.« Wieder gab Madaira einen undefinierbaren Laut von sich, ein launiges Knurren. »Stellen Sie sich vor, man würde sich hinterher jedesmal entschuldigen, wenn man was Unkluges getan hat, dann wäre man bald ein einziger Tut-mir - leid-August. Glauben Sie nicht?«
    »Möglich.« Fischer hob die Schultern und schloß für einen Moment die Augen. Reglos wartete Madaira auf dem Drehstuhl ab. »Wissen Sie, warum ich zu Ihnen gekommen bin?«
    »Sie wollten mal wieder an die Osterseen, aber nicht gleich hinfahren.«
    Lächelnd betrachtete Fischer das Panoramaposter an der Wand. Dann sah er zum Fenster.
    »Ich wollte von Ihrer Wohnung aus einen Blick in den Innenhof werfen. Und ich muß mich schon wieder für diese Bitte entschuldigen. Halten Sie mich nicht für lächerlich.«
    »Ich halte niemanden für lächerlich.« Auch Madaira blickte jetzt zum Fenster, und Fischer bemerkte, wie der Schauspieler seine Finger in die Oberschenkel krallte, in den abgewetzten Stoff der braunen Cordhose.
    Beide standen gleichzeitig auf.
    »Blöderweise geht mein Balkon zur Straße raus.«
    »Ich möchte nur diesen Blick loswerden« , sagte Fischer.
    »Ich kann Ihnen löslichen Cappuccino anbieten, ungesüßt, mit Schokoladenstreuseln oben drauf.«
    »Nein danke.«
    »Wasser?«
    »Gar nichts.«
    Madaira zog die Gardine beiseite. Fischer sah das fünfstöckige Haus gegenüber, das seit einer Stunde überwacht wurde, er sah die rostbraunen Balkone, farblose und ausgeblichene Vorhänge, hinter denen Menschen lebten, die nichts bemerkten, und eine Frau, deren Lügenpalast in Flammen stand. Unten im Hof sah er das rotblaue Klettergerüst, an dem kein Kind herumturnte. Er sah den Sandkasten in Kleeblattform und die vier in den Boden gerammten, verwitterten Holzpflöcke, auf denen niemand saß. Er sah die leere Tischtennisplatte und die verlassenen Sitzbänke. Er sah das Schild »Fußballspielen verboten« und die Haselnußsträucher dahinter. Und es kam ihm vor, als sähe er nichts als den Ausschnitt einer gewöhnlichen Welt, deren Gesetzmäßigkeiten er zwar verstand, deren Regeln ihm aber bis heute ein Rätsel geblieben waren.
    »Was sehen Sie?« fragte Walter Madaira.
    »Kennen Sie jemanden von den Leuten, die hier leben?«
    »Nein. Den Herrn Soltersbusch und seine Frau vom Sehen. Ich bin kein geselliger Mensch. Möchten Sie vielleicht einen Butterkeks?«
    »Nein. Sind Ihnen in letzter Zeit Personen aufgefallen, die Sie vorher in der Wohnanlage noch nie gesehen haben?«
    Mehr und mehr verspürte Fischer einen leichten Groll gegen seinen Kollegen Schell, dessen aus der Luft gezauberte Überlegungen ihn hierher getrieben und gezwungen hatten, die Nähe eines Mannes, der mit alldem nichts zu tun hatte, ein zweites Mal zu belagern.
    »Ich war wenig draußen«, sagte Madaira. Nach einem ratlosen Blick zur Tür steckte er die Hände in die Hosentaschen. Aus seinem Blick war alles Heitere verschwunden. »Das ging nicht anders. Einmal habe ich in meiner Not sogar Frauen angesprochen.«
    Froh darüber, daß Madaira ihn auf andere Gedanken brachte, verschränkte Fischer die Hände hinter dem Rücken und beugte sich ein wenig nach vorn. Madaira war mehr als einen Kopf kleiner als er.
    »Nicht aus solcher Not, verstehen Sie richtig, bitte. Ich hätte auch einen Mann angesprochen. Es ging mir nur ums Sprechen, ich wollte meine Stimme hören. Schlimm war das. Die Frauen haben mich ausgelacht, immer wieder, vor der Haustür. Haben gelacht wie die Frau Soltersbusch neulich, die hat auch einen Mann ausgelacht. Ein schönes Lachen war das nicht, das habe ich bis auf meinen Balkon gehört.«
    »Kannten Sie den Mann?«
    Madaira schüttelte eine Weile den Kopf. Von seinen Schläfen rannen winzige Schweißtropfen. »Ich habe hingesehen, weil ich das Lachen gehört habe. Ich saß im Stuhl und spielte ein wenig Rentner. Frührentner. Ich bin ja erst

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