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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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in der Kneipe am Tresen sitz und meinen Spaß haben will und manchmal einen Kuß verteil und manchmal Lust auf noch was anderes hab. Und dann denken alle: Her mit der. Her mit der. denken die und nehmen mich mit. Und ich geh mit. Und kaum geht die Tür hinter mir zu und es sind keine Zeugen mehr da und die Vorhänge sind zu und alle Nachbarn haben Watte in den Ohren, da spür ich schon das Unheil, das gleich kommt, und ich seh mich schon wieder über den Boden kriechen wie ein Viech. Und ich riech, wie ich stink, und die Nacht hört ewig nicht auf. Hört ewig nicht auf. Warum mach ich das? Warum bin ich so wehrlos, Frau Kommissarin? Und so einer war der Herr Fallnik. Den Namen hab ich mir gemerkt, den wollt ich anzeigen, zum erstenmal wollt ich einen der Monsterkerle anzeigen.
    Arthur Fallnik.
    Im Lokal war er noch ganz zivilisiert, wie fast alle. Halten Sie mich nicht für dumm, ich weiß noch, was passiert, ich krieg die Dinge schon noch mit. Aber kontrollieren kann ich sie nicht mehr. Wieso nicht? Was glauben Sie, wie ich mich schminken muß hernach? In der Früh? Wenn mein Chef mich sehen würd, wie ich wirklich ausseh, der würd mich feuern auf der Stelle. Und meine Kolleginnen. Die sind alle verheiratet, jung, aber gut verheiratet. War ich ja auch. Er hat sich scheiden lassen, weil ich fremdgegangen bin. Sagt er. Hat er mir vorgeworfen. Und er? Er vielleicht nicht? Der Hund. Ich bin nicht fremdgegangen. Ist das Fremdgehen, wenn man zu Hause im eigenen Bett verhungert, während der Mann sich rumtreibt, und wenn man dann nicht mehr verhungern will? Nennen Sie das Fremdgehen? Ich nenn das Am-Leben-Bleiben. Ich bin doch keine Pappschachtel, die man mal rausholt, weil man mal schnell was einpacken will, so nach Lust und Pläsir. Ich bin keine Schachtel. Oder doch schon? In drei Jahren werd ich sechzig. Mein Gott. Wenn ich in dem Alter so aussehen würd wie die Senta Berger, das wär vielleicht was andres. Aber so möcht ich gar nicht aussehen. Ich möcht so aussehen wie ich. Wie ich und wie sonst keiner, und ich möcht mich nicht mehr jede Früh schminken müssen, damit man nicht merkt, daß ich eigentlich ausschau wie kaputtgetreten.«
    »Würden Sie bitte, bevor wir allein weitersprechen, meinem Kollegen Fischer noch etwas über Arthur Fallnik erzählen?« sagte Hauptkommissarin Genoveva Lerchenmüller.
    Sie leitete das Kommissariat für Verhaltensprävention und Opferschutz. Die Hunderte von Frauen. Jugendlichen und Süchtigen, die jedes Jahr Rat und Hilfe bei ihr suchten, hatten eines gemeinsam: Da war niemand draußen in der Welt, kein Mann, kein Mensch, der sie erkannte, sie waren bloß noch Esel für den Heiland ihres Alltags. Manchmal, wenn Genoveva Lerchenmüller spätabends das Polizeipräsidium in der Ettstraße verließ, wunderte sie sich über ihr furchtloses Gehen und ihren rachelosen Blick.
    »Wegen dem Herrn Fallnik war ich fast bei der Polizei« , sagte Regine Fink. »Er hat mich aber dann angerufen, in der Arbeit. Woher er die Nummer gehabt hat, weiß ich nicht, von mir nicht, das schwör ich Ihnen. Er hat gesagt, es tut ihm leid, blabla, er hat gesagt, er hätte zuviel getrunken und ich hätt ihn so erregt, blabla, und da sei er ausgeflippt. Ich glaub, er hat eine halbe Stunde geredet, und ich hab zugehört. In der Arbeit. Wenn mein Chef reingekommen wär! Ich hatte aber Schmerzen am ganzen Körper, er hat mich geschlagen, er hat mich auf den Boden geschleudert, ich hab gedacht, jetzt sterb ich. Warum hab ich ihn nicht angezeigt? Dann hat er mir auch noch Blumen in die Arbeit geschickt. Ich hab mich umbiegen lassen. So war das, ich wollt ihn anzeigen, aber dann hat er geredet und geredet. Ich war so dumm. Ich hab’s nicht anders verdient. Er hat auch noch gesagt, daß Frauen so behandelt werden wollen und daß er solche braucht, die parieren, andere interessieren ihn nicht. Parierende Frauen braucht der. Gott sei Dank hab ich ihn nie wiedergesehen.«
    »Wollte er sich nicht wieder mit Ihnen treffen?« fragte Fischer.
    »Doch. Das wollen die alle. Aber da bin ich ausnahmsweise mal stark geblieben. Ein Wunder. Ich hab den Mann nie wiedergesehen. Und jetzt bin ich hier, weil mir dasselbe schon wieder passiert ist. Und jetzt kann ich nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Schauen Sie mich an, meine linke Backe, das Auge, alles geschwollen. Andere Stellen möcht ich Ihnen gar nicht zeigen. Nie wieder, nie wieder laß ich mir so was gefallen, und Sie müssen mir dabei helfen, Frau Kommissarin. Daß ich nicht

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