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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gesehen, unten im Hof, Sie sind unübersehbar, Sie suchen den Mörder von dem Mann im Müllhaus. Und wieso kommen Sie dann zu uns?«
    »Ziehen Sie sich bitte an«, sagte Fischer.
    »Ich hätt sie längst gehen lassen«, sagte Fallnik unvermittelt. Schell stand schräg hinter ihm, die Hand am Griff seiner Pistole. »Ich hab sie gefesselt und geknebelt, stimmt’s? Ich hab sie klein gehalten, so klein.« Er drehte sich herum, hob seine gefesselten Arme und zeigte mit Daumen und Zeigefinger den Abstand. »Und sie konnte sich nicht wehren, zu schwach, das Mädchen. Tag für Tag.« Er ließ die Arme sinken und machte einen Schritt zur Tür. Er hob die rechte Schulter und rieb krampfhaft an seiner Wange. »Ich war ihr Herr, sie hat mir gefolgt. So wollt ich das. Deswegen hab ich sie hierher gebracht.«
    »Sie können im Polizeipräsidium weiterreden«, sagte Schell, und zu Fischer: »Ich bring ihn weg, die Kollegen sollen das Mädchen holen.«
    »Ich geh hier nicht weg«, wiederholte Linda. Mit zwei schnellen Schritten huschte sie an Fischer vorbei zur Couch, legte sich hin und drehte sich zur Rückenlehne.
    »Die Kleine ist stur«, sagte Fallnik.
    »Wer soll Ihnen das glauben, daß Sie sie freilassen wollten?« fragte Fischer.
    Aber das Mädchen hatte ein Bad genommen, als sie klingelten. Nichts deutete auf eine Gefangenschaft hin.
    »Bringen Sie sie dazu, die Wahrheit zu sagen.« Fallnik schaute sich um. Anders als Linda verbreitete er mit jeder Bewegung einen Geruch nach Alter und Selbstekel. »Wo ist das Buch? Ich muß das Buch mitnehmen.«
    »Welches Buch?« fragte Fischer.
    »Die Bibel, die ich gekauft hab. Wo ist die?«
    »Für welchen Zweck haben Sie die Bibel gekauft?«
    »Zum Beten natürlich. Auf dem Fensterbrett. Da hinten. Ich will sie mitnehmen.«
    Die grünen Vorhänge waren zugezogen, allerdings nicht bis zur Wand. Dort lag das kleine, in schwarzes Leder gebundene Buch. Mehrere Seiten waren rechts oben eingeknickt.
    »Sind Sie ein gläubiger Mensch?« Fischer blätterte in der Bibel.
    »War ich nie. Ich hab angefangen, in der Bibel zu lesen, weil ich nicht gewußt hab, was ich sonst tun soll. Linda hat gesagt, ich soll mir eine Bibel kaufen, dann find ich vielleicht wieder einen Sinn im Leben.«
    »Hast aber keinen gefunden.« Für die Dauer dieses Satzes hatte Linda den Kopf gehoben, jetzt vergrub sie ihn wieder unter den Armen und zog die Beine eng an den Körper.
    »Nein«, sagte Fallnik. »Weil da keiner ist.« Er ruckte mit der Schulter. »Ist aber spaßig, die Bibel. Mal reingeschaut?« Er sah die beiden Kommissare an, erwartete aber keine Antwort.
    »Zeitvertreib. Viel Gemetzel. Selig sind die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich. Darauf muß man erst mal kommen. Raffiniert. Damit kriegt man jeden rum. Ist ja auch eine erfolgreiche Religion geworden. Und der Gott, der alles überwacht. Wie der Soltersbusch. Bloß, daß der nichts mitkriegt. Wir wollten testen, ob der was spannt. Stimmt’s, Linda? Wir wollten die AMM-Loge auf die Probe stellen. Kennen Sie die? Die treffen sich heimlich und karteln aus, wem sie als nächstes auflauern. Uns nicht. Wie lang bist du jetzt bei mir? Ein halbes Jahr?«
    »Acht Monate«, sagte Linda leise.
    »Die paßt auf, die Kleine, die zählt die Stunden, die weiß Bescheid. Acht Monate. Und hat der Soltersbusch Verdacht geschöpft? Ich steh mit dem im Stüberl, und er fragt mich aus und macht mir ein Angebot, und ich tu so, als würd ich drüber nachdenken. Volldepp. Das war eine Abmachung zwischen Linda und mir: Wir gegen den Soltersbuschgott. Und? Gewonnen. Haushoch. Lang nicht mehr gesehen, sagt er zu mir, sag ich: Viel zu tun. Ich arbeite beim Weinher in der Fußgängerzone, müssen Sie wissen, Herrenabteilung, vier Tage in der Woche. Halbtags. Reicht schon. Außerdem trink ich neuerdings weniger, sag ich zu ihm, und das glaubt er glatt. Im Grund ist der schlicht. Armer Hund auch. Frührentner. Welchen Sinn hat ein Bäcker, der eine Mehlallergie hat? Gibt’s da eine Erklärung in der Bibel? Gehört dem jetzt das Himmelreich? Was soll der tun den ganzen Tag? Zu Hause sitzen kann er nicht, weil er die Frau hat. Ich kenn die nur flüchtig, sie hat ihn mal im Stüberl abgeholt. Peinlich. Kommt die Alte und holt ihren Mann ab. Holt den ab. Läßt der sich abholen. Wie ein Bub am Schulhof, wenn die Mama kommt und schimpft. Deswegen heirate ich nicht.«
    In diesem Moment fuhr Linda herum, setzte sich aufrecht hin und warf Fallnik einen herausfordernden Blick zu.

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