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Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Alten.
    »Oha. Wenn dich damit der Kommandeur erwischt, setzt er dich an die frische Luft. Mit einer milden Rüge kommst du da nicht davon.«
    »Wie du willst«, winkte der Heide ab, setzte die Flasche an und flößte sich eine beachtliche Dosis ein.
    Im nächsten Moment war die Flasche wieder unter seiner Jacke verschwunden – wie eine Karte aus der Hand eines Zauberkünstlers.
    »Ich hatte seinerzeit auch schwer damit zu kämpfen«, fuhr er fort und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. »Als mir ein Patient unter den Händen wegstarb. Mitten auf dem OP -Tisch.«
    »Das kommt vor …«, seufzte Migalytsch.
    »Eben nicht. Mir war das noch nie passiert. Bis zu jenem Tag …«
    Inzwischen hatte sich auch Aurora vom Fenster abgewandt und hörte interessiert zu. Den Arzt störte das nicht. Er war wie in Trance, und seine Lebensbeichte sprudelte nur so aus ihm heraus.
    »In der ersten Zeit habe ich in der Metro noch praktiziert. Es gab Arbeit ohne Ende. Man kam überhaupt nicht hinterher mit dem Schnipseln. Blinddarmentzündungen, Schussverletzungen, Knochenbrüche … Schon bald wurden die Schmerzmittel knapp. Die Stalker brachten ab und zu was von der Oberfläche mit, aber das reichte hinten und vorne nicht. Ein Glas Braga anstelle eines Betäubungsmittels, einen Knebel in den Mund und los geht’s … Aber wie soll man anständig operieren, wenn der Patient herumzappelt und schreit, als würde man ihn abstechen. Was heißt, als würde man … Jedenfalls habe ich dann selbst mit dem Saufen begonnen. Um mir Mut anzutrinken. Und um das Geschrei der Kranken besser zu ertragen …«
    Beim Anblick des schlagartig gealterten, am Boden zerstörten Chirurgen wurde Gleb auf einmal schmerzlich bewusst, welch gewaltige Last Taran mit sich herumschleppte, seit er auf die Soldaten der Allianz geschossen hatte. Der Junge schämte sich zutiefst für die unbedachten Worte, die ihm in seiner Wut herausgerutscht waren. Doch die leise, brüchige Stimme des Heiden holte ihn sofort wieder in die Gegenwart zurück.
    »An diesen Tag kann ich mich noch genau erinnern. Es war exakt ein Jahr nach der Katastrophe. Sie haben mich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt und in den OP -Saal geschleift. Meine Hände zitterten wie verrückt, weil ich zu viel gesoffen hatte. Aber ausgerechnet in diesem Fall duldete die Operation keinen Aufschub. Ein Schädelbruch. Im Prinzip hatte der Ärmste sogar Glück gehabt. Man musste ihm nur einen Splitter des Schädelbeins rausmachen, dann hätte er wieder rumspringen können …«
    Der Heide vergrub plötzlich das Gesicht in den Händen, hielt inne und begann mit dem Oberkörper zu wippen. An seiner Schläfe trat eine pulsierende blaue Ader hervor.
    »Ich hab’s nicht hingekriegt, Freunde. Meine Hände haben mich im Stich gelassen … Mit diesen Händen hier habe ich ihn ins Jenseits befördert …«
    Voller Hass starrte der Arzt auf seine zitternden Finger und ballte sie dann zu Fäusten, bis die Knochen knackten.
    Der Alte klopfte dem Heiden tröstend auf die Schulter. Er bereute es, das Gespräch begonnen zu haben. Und Gleb … Gleb empfand zum ersten Mal Verständnis für den in qualvoller Haltung erstarrten Arzt. Bislang hatte er über den alten Säufer oft die Nase gerümpft.
    Alle schwiegen betreten, als plötzlich die Bremsen quietschten und die »Ameise« mit einem Ruck stehen blieb. Hastig klammerten sich die Passagiere irgendwo fest, um nicht durch die Kajüte zu purzeln. Gleb und Aurora stürmten sofort in die Navigationskabine, doch der erstaunlich flinke Migalytsch kam ihnen zuvor und besetzte den Platz in der ersten Reihe.
    »Warum sind wir stehen geblieben?«, plapperte er geschäftig in die Sprechanlage.
    Durch die halb geöffneten Stahlblenden konnte man sehen, dass Taran in der Fahrerkabine nach vorne zeigte. Gennadi, der sich über den Fahrersitz lehnte, starrte ebenfalls nach vorn, wo eine dunkle Wolke den Himmel verhüllte. Die Scheibenwischer setzten sich in Bewegung und hinterließen schmutzig-gelbliche Streifen auf der Scheibe. Erst als Gleb genauer hinsah, wurde ihm klar, was seinen Vater veranlasst hatte, in die Eisen zu treten.
    Graue Schwaden waberten über den Boden, krochen in die Straßengräben und verdichteten sich weiter hinten zu einer undurchdringlichen Nebelwand. Ein, zwei Kilometer weiter die Straße runter quoll die Suppe zu einer massiven Gewitterfront auf, die sich wie eine gigantische Glocke über ein riesiges Gelände spannte.
    Die Ausmaße des Phänomens

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