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Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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hob das verwaiste Messer vom Boden auf und stellte sich der grässlichen Bestie in den Weg. Doch die entschwebte federleicht an die Decke, stieß sich vom Rücken des Bärtigen ab und drang in die Mitte des Raumes vor. Das Mädchen schrie panisch um Hilfe, der Heide schnappte sich ein Skalpell, und Gleb stürzte sich tollkühn auf den glitschigen Körper des Mutanten.
    Der Junge handelte instinktiv und ohne zu zögern, denn er fürchtete um Auroras Leben. Die Bestie hatte das Mädchen fest ins Visier genommen und schien wild entschlossen, sich ihr Opfer zu greifen.
    Erst später, als er versuchte, die Einzelheiten des Kampfs noch einmal zu rekonstruieren, wurde Gleb klar, dass sein Bewusstsein die furchtbarsten Momente gnädig ausgeblendet hatte, um ihm ein seelisches Trauma zu ersparen. Er erinnerte sich nur an ein paar statische Bilder, die er gleichsam durch die rosarote Brille sah.
    Was in jenen endlosen, irrwitzigen Momenten im Innenraum des Raketentransporters geschah, war ein chaotisches Durcheinander von Körpern und Gegenständen, in dem keiner mehr überblickte, was vor sich ging. Das rätselhafte Geschöpf lag jedenfalls irgendwann rücklings am Boden und wand sich in einem Anfall ohnmächtiger Wut unter dem Gewicht von Gennadi, der seinerseits vor Anstrengung brüllte und mit dem Fangarm kämpfte, der sich um seinen Hals geschlungen hatte. Neben den beiden kniete Taran, der sich mit einer schweren Rohrzange bewaffnete hatte, und schlug wie ein Berserker auf sein Ebenbild ein. Mit widerlich schmatzenden Geräuschen wurde der Kopf der Bestie durch das Bodengitter passiert und verlor allmählich seine menschlichen Formen. Kurz bevor das Wandelwesen sein Leben aushauchte, aktivierte es unkontrolliert Myriaden von Pigmentzellen und seine Haut leuchtete in den Farben des Regenbogens auf.
    Nachdem man die verkohlten und erbärmlich stinkenden Überreste des Mutanten draußen im Schnee entsorgt hatte, war es an der Zeit, sich Gedanken über den echten Sitting Bull zu machen. Seine Gefährten fanden ihn, buchstäblich im allerletzten Moment, im Schleusenraum.
    Der Ärmste war mit einer klebrigen Masse fixiert, halb bewusstlos und steif gefroren. Der Mutant hatte sich die Beute offenbar für später aufgehoben. Sitting Bull war noch mal davongekommen. In der warmen Kajüte taute er rasch wieder auf und wurde mit heißen Getränken aufgepäppelt.
    Während Samuil Natanowitsch sich um den Patienten kümmerte, erinnerte sich Gleb, wie er Schnee holen gehen wollte und der falsche Sitting Bull ihn nicht in die Schleuse ließ. Und wie er den ganzen Abend zuvor geschwiegen hatte und den anderen aus dem Weg gegangen war.
    Eine ziemlich gerissene Bestie, das musste man zugeben. Ihre fantastischen Fähigkeiten zur Mimikry in Verbindung mit einem Schuss Telepathie waren eine wirksame Waffe im Überlebenskampf. Die Begegnung mit ihr hätte auch ein tragisches Ende für die Besatzung genommen, wäre da nicht Tarans chronischer Schlafmangel gewesen. Denn paradoxerweise hatten die dadurch bedingten Kopfschmerzen seine Sinne geschärft und ihn das Trugbild gerade noch rechtzeitig durchschauen lassen.
    Schließlich klärte sich auch auf, wie der blinde Passagier an Bord gekommen war. Die cleveren Techniker der »Babylon« hatten das WC als Trockentoilette mit Sammelbehälter konzipiert, um die hermetische Abdichtung des Wohncontainers zu gewährleisten. Mit einem einfachen Schiebemechanismus im Unterboden konnte der Behälter von Zeit zu Zeit entleert werden. Natürlich wäre niemand auf die Idee gekommen, dass eine Bestie erstens schlau genug sein konnte, in den Behälter einzudringen, und zweitens in der Lage, sich so zu verformen, dass sie durch die Hygieneklappe in den Innenraum des Trucks gelangte.
    »Ich nenne ihn Mime«, verkündete feierlich der Heide, der sich offenbar den wissenschaftlichen Ruhm als Erstbeschreiber der Mutantenart sichern wollte. »Zu Ehren der antiken Meister der Imitation und Virtuosen der Bühnenfarce. Klingt doch gut, oder nicht?«
    »Und was sind das für Vögel?«, wunderte sich Gennadi. »Schauspieler, oder wie? Da kenne ich nur die vom Zigeunerlager an der Tschornaja retschka .«
    »Das ist was anderes«, winkte der Chirurg ab. »Mimen sind schon lange Geschichte.«
    »Dann meinetwegen«, sagte der Riese. »Geschieht ihnen recht. Heute haben wir wohl den Letzten erledigt. Was meinst du dazu, Migalytsch?«
    »Ich glaube, dass es doch nicht an der Kraftstoffleitung liegt«, brummte der Mechaniker

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