Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Uferböschung und rollte an leeren Wohnklötzen vorbei, die längst erkaltet waren.
Der Fußgänger hatte keinen Unsinn erzählt. Die menschenleeren Straßen und die fehlenden Spuren im Schnee deuteten darauf hin, dass auch diese Stadt unbewohnt war. An Rauchsäulen von möglichen Feuern konnte man sich wegen der miserablen Sicht zwar nicht orientieren, aber man sah auch so, dass es ein sinnloses Unterfangen gewesen wäre, in diesen verstrahlten Ruinen nach Überlebenden zu suchen.
Trotz des Schneesturms fand sich der Fußgänger in der Häuserwüste erstaunlich gut zurecht und führte die Expedition auf direktem Weg zu einem niedrigen Stahltor. Abermals rauschte die Sprechanlage.
»Sieht so aus, dass wir da sind«, verkündete der Chirurg mit unverhohlener Erleichterung. »Der Fußgänger empfiehlt nachdrücklich, den Haupteingang zu meiden. Er sagt, dass dort alle Werkszufahrten von Autos blockiert sind. Es ist leichter, hier reinzufahren. Das Tor fällt nämlich fast schon von selbst auseinander.«
Schon bevor der Heide zu Ende gesprochen hatte, drückte Migalytsch das Gaspedal durch. Der gepanzerte Truck machte scheppernd die verrosteten Torflügel platt und rollte munter auf das Werksgelände.
Zwischen den Fabrikhallen, die am Fenster vorbeizogen, ragten Lüftungsschächte wie eckige Ofenrohre aus dem Schnee. Gleb suchte fieberhaft nach irgendetwas Auffälligem in den monotonen Gebäuden, denn insgeheim hoffte er immer noch, irgendein Lebenszeichen zu entdecken. Wer weiß, vielleicht flackerte in den Fensterrahmen mit ihren Gebissen aus zerbrochenen Scheiben irgendwo der Widerschein eines Feuers? Oder aus einer der Ruinen kamen dick eingemummte Menschen gelaufen, die der Lärm des Monstertrucks aufgeschreckt hatte …
»Dort drüben!« Tarans wie immer ernüchternd eisige Stimme holte den Jungen in die Realität zurück. »Ein idealer Platz. Fahr hinein.«
Die »Ameise« erklomm eine kurze Rampe, fuhr durch ein einladend offen stehendes Ladeportal, spuckte noch ein letztes Mal blaugrauen Rauch und blieb mitten in einer großen Lagerhalle stehen. Die Läufe der Maschinengewehre schwenkten umher und suchten den dunklen Kasten nach potenziellen Zielen ab. Doch die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig. Nichts störte die Ruhe an diesem gottverlassenen Ort. Nur ein paar Schneeflocken fielen durch die Löcher im verfaulten Dach und glitzerten im grellen Scheinwerferlicht.
Nach einer kurzen Erkundung der angrenzenden Räume, bei der auch nichts Verdächtiges festgestellt wurde, gab der Stalker endgültig Entwarnung. Die Besatzung war heilfroh, die enge Kajüte wenigstens für eine Weile verlassen zu können, und machte sich mit Feuereifer ans Werk. Als Erstes wurde das Tor, das neben der Einfahrt am Boden lag, wieder an seinem Platz verankert. Man kann nicht behaupten, dass der Raum dadurch wärmer geworden wäre, aber immerhin ein bisschen gemütlicher.
Unter der Decke befand sich ein Laufkran, was sich als äußerst praktisch erwies. Migalytsch zerlegte die alte Gerätschaft in ihre Einzelteile und baute aus dem Wust von Rollen und Seilen eine stabile Hebevorrichtung zusammen. Als Antriebsmotor wurde selbstverständlich Gennadi eingespannt, und der war sogar froh darüber, seine eingerosteten Muskeln mal wieder auf Temperatur zu bringen.
Gegen Abend lag der ausgebaute Motor auf einer improvisierten Werkbank aus Eisenbahnschwellen, die man im Hinterhof gefunden hatte. Migalytsch pfiff eine fröhliche Jazzmelodie und dirigierte die Zerlegung des siechen Dieselaggregats.
Taran zog die Gurte seiner schusssicheren Weste fest und sah sich nach dem Mutanten um, der an der Auffahrtsrampe Wache schob.
»Dym, mach dich fertig! Migalytsch hat eine Liste mit Ersatzteilen zusammengestellt. Sehen wir uns mal ein bisschen um, ob wir die Sachen auftreiben können. Es muss ja irgendwo eine Montagehalle geben.«
»Oder eine Fertigungshalle!«, tönte es unter der »Ameise« hervor. »Und dass ihr mir keine rostigen Teile bringt. Ich habe keine Lust, hier mit der Feile rumzufummeln …«
Gennadi schmunzelte über die ganze Breite seiner quadratischen Visage, als er das geschäftige Geplapper des Alten hörte, und salutierte scherzhaft dem Kommandeur. Gegen einen kleinen Spaziergang hatte er absolut nichts einzuwenden.
»Gleb, wir warten nur noch auf dich!«, drängte der Söldner.
Doch der Junge, der normalerweise kein Abenteuer ausließ, dachte zur Überraschung aller gar nicht daran, seinen Arbeitsplatz zu
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