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Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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elend dabei …
    Denn so ergebnislos, wie er es Gleb und den anderen erzählt hatte, war sein Erkundungsmarsch in Kasan keineswegs verlaufen. Die Begegnung mit dem riesigen mutierten Schneeleoparden, der ihm schon in der Vorstadt über den Weg gelaufen war, hatte er tunlichst verschwiegen. Die Geschichte von dem Gedankenaustausch zwischen Mensch und Tier war einfach zu abstrus, um sie den anderen zu erzählen. Sie hätten ihn höchstens für verrückt gehalten.
    In der Tat waren Taran einige Zeit später selbst Zweifel gekommen, ob sich das Ganze wirklich so zugetragen hatte. Andererseits hatte sich das Bild des ebenso anmutigen wie gefährlichen Raubtiers mit dem schneeweißen Fell und den blauen Eiswürfelaugen tief in sein Gedächtnis gegraben …
    Vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Schnees hatte er den Leoparden-Albino erst bemerkt, als dieser einen Warnruf ausstieß und drohend das Maul aufriss. Der Stalker legte daraufhin das Gewehr an, doch die Raubkatze reagierte überhaupt nicht auf die Waffe in den Händen des Menschen. Stattdessen legte sie den Kopf schief, als wollte sie den zweibeinigen Fremdling erst einmal genauer betrachten. Und dann …
    Dann hatte Taran es ganz deutlich gespürt. Er wusste im ersten Moment überhaupt nicht, wohin mit seinen Emotionen, so überraschend kam dieses ebenso verblüffende wie verstörende Gefühl, dass sich ein fremdes Bewusstsein in seinem Kopf befand. Der mentale Gast nahm verhalten Kontakt auf, mit einer Mischung aus Neugier und gesundem Argwohn, aber ohne jede Spur von Aggression. Das erstaunliche Tier gab sofort zu verstehen, dass es freundlich gesinnt war, und als es spürte, dass der Mensch sich nicht verschloss, ließ es eine Flut von Bildern auf ihn los.
    Die unzusammenhängenden Visionen, die der Schneeleopard auf den Stalker übertrug, fügten sich wie die Teile eines Puzzles zu dem nachdrücklichen Appell, die Stadt zu meiden und ihre jetzigen Bewohner in Ruhe zu lassen. Obwohl Taran ihm seine guten Absichten versicherte, wiederholte das mysteriöse Tier energisch die Warnung, dass der Besuch der Fremden eine Katastrophe für die Stadt bedeuten könnte.
    Später, als Taran den gedanklichen Dialog noch einmal Revue passieren ließ, wusste er selbst nicht so genau, was ihn dazu veranlasst hatte, sich die Warnungen des vierbeinigen »Wächters« von Kasan zu Herzen zu nehmen und seiner Mannschaft zu erzählen, dass die Stadt unbewohnt und gefährlich sei.
    Jedenfalls war der Rucksack der persönlichen Sünden, den der Stalker mit sich herumtrug, wieder mal um eine fette Lüge schwerer geworden.
    Taran atmete tief durch, öffnete die Tür und trat ins Lazarett. Glebs Reaktion wunderte ihn nicht, dafür Aurora um so mehr. Der Junge schaute demonstrativ an seinem Vater vorbei und verließ wortlos den Raum.
    »Wie geht’s dir?«, erkundigte sich der Stalker teilnahmsvoll.
    »Danke, schon besser.« Das Mädchen setzte sich auf und versuchte, im Blick des Stalkers eine Erklärung für das seltsame Benehmen ihres Freundes zu finden. »Ist zwischen dir und Gleb irgendwas vorgefallen?«
    Taran trat näher, hockte sich vor dem Krankenbett hin und blickte versonnen in die Ferne, als wäre die dicke Panzerung der »Ameise« nicht im Weg.
    »Er spricht nicht mehr mit mir.«
    »Ist er beleidigt?«
    Der Stalker nickte flüchtig. Der Zahnradkreisel stieß gegen die Suppenschüssel und blieb als lebloses Stück Eisen liegen. Das Glitzern war vorbei.
    »Es gibt doch so etwas wie eine Notlüge, nicht wahr?«
    Der Stalker schaute das Mädchen an, als würde er eine Erwachsene um Rat bitten.
    »Ja.« Aurora wich dem Blick des Stalkers nicht aus. »Ich weiß. Es gibt aber auch eine bittere Wahrheit …«
    »… die immer noch besser als eine Lüge ist«, vervollständigte Taran den Satz.
    »… besser als eine süße Lüge«, korrigierte Aurora.
    »Aber ich habe ihn doch gar nicht angelogen. Ich habe ihm nur etwas nicht gesagt.«
    »Das ist ein und dasselbe.«
    Aurora verzichtete darauf nachzubohren, was konkret der Stalker seinem Stiefsohn verschwiegen hatte. Sie spürte, dass etwas sehr Persönliches dahintersteckte, das nur die beiden etwas anging. Der Stalker wäre auch gar nicht bereit gewesen, noch einmal zu erzählen, wie er bei den Veganern den gebrechlichen Sklaven getroffen hatte, von dem sich herausstellte, dass er Glebs leiblicher Vater war …
    Auf Tarans Beichte hatte der Junge erstaunlich gefasst reagiert. Während er sich die tragische Geschichte in allen

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