Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Einzelheiten anhörte, hatte er zu keinem Zeitpunkt seine Gefühle gezeigt und am Ende wortlos den Raum verlassen. Seither hatte Taran mehrfach versucht, den Jungen um Verzeihung zu bitten, doch der ließ nicht mit sich reden und zog sich in sein Schneckenhaus zurück.
Der Stalker hatte bitter daran zu kauen, dass er nach der denkwürdigen Begegnung mit dem weißen Leoparden schon wieder nicht bei der Wahrheit geblieben war, obwohl er sich geschworen hatte, in Zukunft zu seinem Sohn absolut ehrlich zu sein. Mit Lügen schafft man schließlich kein Vertrauen. Würde der Junge es jemals verstehen, dass das Verschweigen der Wahrheit nur ein hilfloser Versuch war, einen geliebten Menschen vor den Nackenschlägen dieser gottverdammten Welt zu schützen?
»Versuch nicht, dich zu rechtfertigen.« Auroras energische Stimme riss den Stalker aus seinen trüben Gedanken. »Es bringt nichts, nach passenden Worten zu suchen. Steh wenigstens einmal im Leben zu dem, was du wirklich empfindest. Behalte es nicht für dich, sondern sprich es offen aus. Und Gleb wird dir zuhören.«
Kaum war das Hacken des Beils im Dickicht verhallt, da erhob sich ein neues, knisterndes Geräusch im Wald und scheuchte die Vögel auf. Kurz darauf fiel mit ohrenbetäubendem Krachen eine riesige Kiefer zu Boden und begrub etliche Jungbäume unter ihren ausladenden Ästen. Nachdem der aufgewirbelte Schnee zu Boden gerieselt war, trat der hünenhafte Holzfäller aus der Dunkelheit und klopfte sich ab. Die Haut, die seine gewaltigen Muskelberge umspannte, schimmerte bleich im Mondlicht. Wäre nicht der Patronengürtel gewesen, der um seine mächtige Brust geschlungen war, man hätte Gennadi für eine Heldenfigur aus einem Fantasy-Epos halten können. Für einen wilden Barbaren aus dem Norden oder schlimmstenfalls für den Anführer einer Horde von Orks …
Als Gleb beobachtete, wie flink der Mutant den Baumstamm entastete, schmunzelte er und wandte sich wieder seiner Beschäftigung zu. Er musste das Seil an der Trommel der Winde fixieren.
»Dym, wo bleibt die versprochene Rampe?« Neben dem Vorderrad der »Ameise« tauchte die unverkennbare Panzerhaube auf und verschwand wieder hinter einem Haufen weggeschaufelten Schnees. »Wenn das so weitergeht, sitzen wir morgen früh noch hier.«
»Mach keinen Stress, Migalytsch, ich arbeite hier mit verdammt scharfem Gerät.« Der Mutant rammte das Beil in den nächstbesten Baum, spuckte in die Hände und lud sich einen Balken auf die Schulter. »Wer bezahlt mir die Ausfalltage, wenn ich hier einen Arbeitsunfall baue?«
»Ganz zu schweigen von der Behandlung«, mischte sich der Heide ein, der große Zweigwedel in den zerwühlten Lehm unter den Rädern des Raketentrucks warf. »Ich bin schließlich nicht irgendein Praktikant, der euch für einen warmen Händedruck die Finger wieder annäht.«
Taran sprang von der vereisten Bordwand herab und versank fast bis zur Hüfte im Schnee. Er stapfte an den gespannten Seilen entlang und musterte noch einmal kritisch die knorrigen Stämme der Bäume, die als Anker für die Handwinden ausgewählt worden waren.
»Was meinst du, kriegen wir die ›Ameise‹ da wieder raus?«, rief Migalytsch, dessen Silhouette im blendenden Licht der Scheinwerfer stand.
»Es bleibt uns doch gar nichts anderes übrig. Lass den alten Leierkasten an. Wir versuchen’s.«
Donnernd heulte der Motor auf. Das erwachte Eisenmonster ruckte und kämpfte sich zentimeterweise aus seiner gemütlichen Schneekuhle heraus.
Die Mannschaft arbeitete wie besessen und gut koordiniert. Doch erst, als der Himmel über den Wipfeln der Bäume sich rosa färbte, hatte die »Ameise« wieder festes Terrain erreicht und eine tiefe Fahrspur mit angetautem grauem Matsch hinterlassen.
Migalytsch strahlte vor Glück, als er die Taue löste. Seine Gasmaske, die er im Eifer des Gefechts wieder einmal vergessen hatte, baumelte einsam an seinem Gürtel. Als Taran das Versäumnis auffiel, versuchte er, den Alten mit Gesten darauf aufmerksam zu machen. Doch der Mechaniker schaute wie gebannt nach oben und reagierte nicht. Allmählich verschwand auch das Lächeln aus seinem schmutzigen Greisengesicht.
Die Besatzung bekam einen gehörigen Schreck, als plötzlich ein Maschinengewehr zu tackern begann. Der Stalker ging reflexartig in Deckung, griff nach seiner Waffe und lugte hinter einem Baum hervor. Abermals flackerten Mündungsfeuer im Schützenturm am Dach des Raketentrucks auf.
»Dort drüben bewegt sich was!«, schrie
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