Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
manchmal ist es geschickter, darauf zu verzichten, dass die Karten aufgedeckt werden. Hast du schon mal Poker gespielt? Dein Vater und ich hatten einen guten Weg gefunden, wie wir zum beiderseitigen Vorteil zusammenarbeiten können. Aber mit dem Wissen, das du Bengel jetzt ausgegraben hast, kann ich euch unmöglich einfach gehen lassen.«
Nach einem kurzen Kommando des Obersts klickten die Handschellen, und die Abenteuer waren die längste Zeit Gäste gewesen. Dym wollte noch Widerstand leisten, als man die Fesseln um seine mächtigen Handgelenke legte, doch der Blick in die Mündungen mehrerer Sturmgewehre brachte ihn rasch zur Raison.
»Alle in den Karzer!«, befahl der Chef von Jamantau, der plötzlich ganz blass wurde und leicht schwankte. »Wir werden später entscheiden, was wir mit diesen Galgenvögeln machen …«
Der Presslufthammer in Tarans Händen fraß sich immer tiefer in das harte Gestein. Feine Körnchen regneten zu Boden, die größeren Brocken räumte Gleb mit einer schweren Schaufel beiseite. Der allgegenwärtige Kohlestaub drang in Nase und Lungen und setzte sich als fettige Schicht auf den verschwitzen Körpern ab.
Dym und der Heide arbeiteten an der benachbarten Abbaustelle. Den alten Migalytsch und Aurora hatte man von der schweren Arbeit verschont und zu den Wasserträgern abkommandiert. Sie zogen einen Wagen mit Kannen hinter sich her, schöpften abwechselnd das trübe Wasser mit langen Kellen und reichten es den gebeugten, schattenhaft wirkenden Grubenarbeitern.
Es waren drei Tage vergangen, seit man die Gefangenen auf die unterste Ebene des unterirdischen Bienenstocks verbannt hatte. Drei trostlose und kräftezehrende Tage in schmutzigen, finsteren und stickigen Katakomben. Selbst das Reinigen der Abortgruben an der heimischen Moskowskaja hatte Gleb nicht so mitgenommen wie die Arbeit in den Kohleschächten von Jamantau.
Nun war sonnenklar, welches Schicksal der Oberst den Abenteurern zugedacht hatte. Unter derart unmenschlichen Bedingungen konnte niemand lange durchhalten. In der Grube arbeiteten auch nur Straffällige, Krüppel und todgeweihte Mutanten, von denen es unter den Bergarbeitern ziemlich viele gab.
Wenn man so wollte, hatte der Chef des Bunkers eine eigenwillige Form von Milde walten lassen, als er die in Ungnade gefallenen Gäste zur Grubenarbeit verdonnerte, anstatt sie kurzerhand hinrichten zu lassen. Hier konnten sie ruhig ausplaudern, was sie über die Steppenhunde wussten, denn aus den Kohleschächten war kein Rückweg vorgesehen. Man konnte nicht zulassen, dass jemand die Wahrheit über die entwürdigenden Zustände hier unten in der ganzen Siedlung herumposaunte. Das hätte gewiss dem Ruf des hiesigen Halbgotts geschadet.
Was Gleb am meisten verstörte, war die Tatsache, dass sein Vater die menschenverachtende Politik des Obersts auch noch rechtfertigte. Das kurze Gespräch hatte am Ende der ersten Schicht stattgefunden und ging dem Jungen immer noch im Kopf herum.
»Wir haben unsere Wahrheit – er hat die seine«, hatte Taran seinem Stiefsohn erklärt. »Jeder überlebt, so gut er kann. Wenn es mit einer erfundenen Drohkulisse gelingt, die Flüchtlinge bei der Stange zu halten – warum nicht? Der Bunkerkomplex funktioniert – so falsch kann diese Strategie also nicht sein …«
Der Junge war da völlig anderer Meinung und verwies auf die erbärmlichen Lebensbedingungen der Bewohner, die von der Kaste der Militärs zu Sklaven degradiert wurden.
»Jedenfalls haben sie ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen und sind zuverlässig von der Außenwelt abgeschirmt«, entgegnete Taran. »In Sankt Petersburg kann das bei Weitem nicht jeder von sich behaupten … Wer weiß, vielleicht würde die Hälfte der Metrobewohner lieber in die sicheren Stahlbetonmauern von Jamantau umsiedeln, anstatt ständig mit der Angst leben zu müssen, irgendeiner Bestie in die Fänge zu geraten?«
»Arbeit im Tausch gegen Sicherheit …?« Der Junge schüttelte skeptisch den Kopf. »Wenn es so einfach wäre, könnte sich der Oberst den Zirkus mit den Steppenhunden sparen.«
»Dieser Zirkus garantiert stabile Verhältnisse im Bunker und hält die Flüchtlinge davon ab, woanders nach einem besseren Leben zu suchen«, seufzte der Stalker und streckte sich auf der feuchten Unterlage aus, die ihnen hier als Schlafstatt diente. »Außerdem kommt dadurch frisches Blut in die Siedlung …«
Beim Anblick seiner schlafenden Freunde, die sich in einer in den Fels gehauenen Nische
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