Hinter dem Mond
voller Abscheu. »Du drehst die Dinge, wie du sie brauchst, weil du so falsch und verlogen bist. Entscheide dich doch mal, ob ich nicht ins Internat gehen darf, weil es dort so schrecklich ist und du mich davor bewahren willst, oder weil es dort zu schön wird für mich und du es mir nicht gönnst! He? Was jetzt? Du willst einfach nur scheiße sein und mich leiden sehen, es geht nur darum! Nur darum, meine Schule ist dir doch scheißegal … Wofür soll ich denn dankbar sein?«
»Du Scheißkind! Wegen dir habe ich mein Leben vergeudet … du hast es nicht verdient, dass wir besorgt sind.«
Meine Mutter schrie jetzt wirklich zu laut und wollte nach mir greifen, aber ich sprang zur Seite, und sie griff in die Luft, was sie wohl noch wütender machte, denn sie hob dann, nur um mich einzuschüchtern, ihre Hand und keifte, ich würde gleich von ihr so verdroschen, dass ich blöken würde wie eine Ziege.
Ich schrie: »Du und besorgt! Haha! Dee war besorgt! Und Sonjas Vater war besorgt. Die besprechen das jetzt, ob Sonja und Sarah nach Deutschland zu ihrer Mutter gehen oder mit Dee nach Amerika und dort auf eine Highschool … An eine persische Schule denken die überhaupt nicht!«
»Was geht uns Sonjas Vater und seine amerikanische Hure an?«, schrie meine Mutter. »Hast du eine Mutter in Deutschland? Dann geh doch zu der, und wir sind dich endlich los!«
»Alle gehen jetzt nach Deutschland, Michael, Gina und Tina, Cyrus, Davud, Hedi, Afsaneh! Alle. Keiner denkt auch nur daran, hierzubleiben!«
»Die haben alle deutsche Mütter! Und was ist mit den ganzen Leuten, die eben hier waren? Die haben alle dasselbe gesagt. Wir schicken unser Kind nicht alleine in die Fremde und ins Verderben!«
»Weil es alles Idioten sind! Und Lucie hat gesagt, sie wird mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Deutschland gehen, egal, was der Vater sagt.«
»Lucies Mutter geht mit ihrer fünfzehnjährigen Tochter zusammen auf den Strich. Geh doch mit denen mit!«
Unser Geschrei wurde ziemlich grauenvoll, meine Mutter wurde so laut und böse, dass erst Mr Molly erschrocken aus dem Zimmer rannte und sich dann auch mein Vater kopfschüttelnd zurückzog.
Ich sagte irgendwann einfach nichts mehr und hielt die Augen geschlossen, damit sie endlich aufhörte und rausging, die laute Keifstimme gepaart mit den Erniedrigungen war unglaublich. Was war mit ihr geschehen? Als sie endlich draußen war, drückte ich den Knopf in den Drehknauf der Tür, damit keiner mehr reinkommen und ich in Ruhe nachdenken konnte, was jetzt zu tun sei.
Ich hatte die Möglichkeit vorgeschlagen, Pouri zu bitten, mich mitzunehmen, da sie anscheinend in den nächsten Tagen mit den Kindern nach Köln zu Klaus’Schwester flog, aber meine Mutter hatte das weggewischt mit der Begründung, man könnte ein Monster wie mich nicht der armen Pouri zumuten, sie hätte mit ihren eigenen Kindern genug Verantwortung. Und niemand würde die Verantwortung für ein fremdes Kind übernehmen.
Ich nahm mein Telefon und wählte Sonjas Nummer am Kaspischen Meer.
Sie war selbst dran.
»Du, alles Scheiße. Ich bin zu spät gekommen, die waren schon am Gehen, und die Eltern von Bita und Pari waren absolut gegen ein Internat. Lucies Vater auch, aber Lucie meinte, ihre Mutter würde auf jeden Fall abhauen und sie und den Bruder nicht hier aufwachsen lassen. Und meine Eltern spinnen total. Was mache ich bloß?«
»Sie können dich doch nicht auf eine persische Schule schicken. Mit Kopftuch, oder was?«
»Was sagt denn dein Vater?«
»Mein Vater will, dass wir nach Amerika gehen, und ich dort in eine Boarding School … Dee soll uns dort unterbringen und wieder hierher zurückkommen. Er meinte gestern: a good education is that what you need.«
»Hm … Scheiße. Mann. Scheiße. Am meisten nervt mich, dass ich umsonst in Teheran bin. Wann kommt ihr wieder?«
»Nächste Woche … komm doch zurück.«
»Nee, meine Mutter lässt mich bestimmt nicht, ich hab auch keine Lust, die um irgendetwas zu bitten. Ich trete jetzt in den Hungerstreik.«
Das tat ich dann auch. Als man mich zum Abendessen rief, meinte ich nein, danke, ich würde nichts mehr essen.
Sie zuckte die Schultern und ging. Kurz danach stieß sie aggressiv meine Tür auf und schrie, ich solle mich gefälligst mit an den Tisch setzen.
Ich setzte mich mit einem langen Gesicht an den Esstisch und sagte nichts.
»Wenn du uns unter Druck setzen willst, das kannst du vergessen«, fing die Frau, die meine Mutter war, sofort an.
»Mach
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