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Hinter dem Mond

Hinter dem Mond

Titel: Hinter dem Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wäis Kiani
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Katzenstraßen verwendet. Auf jeder Mauer saß immer eine Katze und schaute der Welt von oben zu. Unsere Kutsche, wie »kleine Seitenstraße« auf Farsi heißt, ging vom mittleren Abschnitt der Pahlewi Avenue ab, der Pracht-Avenue, die der Vater des Schahs, Reza Schah, hatte bauen lassen, nachdem er einmal in Paris und total beeindruckt von den Champs-Élysées war. Die Pahlewi war viele Kilometer lang, sie ging vom Norden der Stadt, nördlich meiner Schule am Fuße des Elburz-Gebirges, am Tadrij-Platz los und führte kilometerweit an etlichen großen Parks und Rondells vorbei bis ganz in den Süden der Stadt, noch südlicher als der Basar, so weit südlich, dass man als normaler Mensch nie dorthin kam. Unser neues Zuhause befand sich um einiges zu weit südlich für meinen Geschmack, also viel zu südlich, um für meine Maßstäbe noch als chic zu gelten, und zu weit nördlich, um richtig asozial zu sein.
    Aber die Wohnung lag immerhin an der breiten, vierspurigen Prachtallee, die rechts und links von hohen Bäumen in einem breiten Wassergraben gesäumt war, die es in der Art überall in der Stadt gab. Sie wurden Djub genannt und von der Bevölkerung als öffentliche Mülldeponien missbraucht. Deshalb lagen in den Djubs immer von braunem, stinkendem Wasser umspülte Melonenschalen, Babywindeln, Essensreste, Plastikflaschen oder wessen man sich sonst so spontan entledigen musste. Manchmal sah ich auch eine kleine Herde Schafe, die sich gemütlich an den Wassermelonenschalen labte. Die obere Wohnung war das Ebenbild der Wohnung meiner Großeltern im Erdgeschoss. Dreihundert ziemlich hässliche Quadratmeter, aber bei weitem nicht die scheußlichsten, die ich gesehen hatte, seit ich in dieser Stadt lebte. Es gab auf jeden Fall noch viel scheußlichere. Aber eben auch sehr viele schönere. Alles war irgendwie schäbig, schlecht gemacht und von mieser Qualität. Mich widerten unsere beiden Badezimmer mit den unsauber verarbeiteten Kacheln und unregelmäßig verlegten Steinplatten auf dem Boden richtig an. Die Metallfenster waren in Aluminiumfarbe und der Steinfußboden graugesprenkelt, ich hasste es, das alles anzusehen. Ich hasste auch unsere Küche, für mich der wichtigste Raum in einer Wohnung überhaupt, und hatte mich deshalb auf unsere neue Küche aus dunklem Mahagoni gefreut, die wir gemeinsam in einem großem Küchengeschäft in Bremen ausgesucht hatten. Jetzt störte die hellgelbe Einbauküche aus Blech daneben, deren Türen laut schepperten. Meine Großmutter erlaubte meiner Mutter nicht, das Blechzeug rauszureißen, deshalb stand jetzt auf der einen Seite der Küche das hellgelbe Blech, und gegenüber, auf der anderen Seite der Wand, standen die schönen Schränke aus dunklem Holz. Es sah grauenvoll aus. Und so in der Art wirkten alle mitgebrachten Möbel in dieser Wohnung. Zwei Welten, die aufeinandertrafen, nichts miteinander zu tun hatten und sich weder ergänzten noch einen interessanten Bruch bildeten. Es war einfach nur seltsam. Die enorme Größe und phantasielose Aufteilung der Wohnung gab ihr zudem noch etwas Unwirkliches. Ich wählte für mich das Zimmer, das genau neben der Haustür war. Die Nähe zum Ausgang hatte etwas Beruhigendes für mich.
    Ich durfte mir meinen Teppichboden, die Vorhänge und den Anstrich meiner Wände selbst aussuchen. Ich wählte einen knallroten Teppichboden, sonnengelbe Wände und Vorhänge mit einem rot-weißen, psychedelischen Seventies-Muster. Da standen dann meine weißen Jugendzimmer-Möbel von Flötotto aus Deutschland drin, und ich war begeistert.

    Zu allen Problemen, die ich mit unserer neuen Behausung und meinen Großeltern als Nachbarn hatte, kam noch ein weiteres: Ich musste in einen anderen Schulbus wechseln, wieder in den, mit dem ich die ersten Wochen nach unserer Ankunft gefahren war. Also nicht mehr in einem der Busse mit den vornehmen Nummern, die in die nördlichen Bezirke fuhren, sondern ich saß wieder bei den Uncoolen im Bus. Ich weiß nicht, woran das lag, aber die Leute, die scheiße wohnten, waren auch sonst scheiße, dabei konnten die ja eigentlich nichts für die Wohngegend ihrer Eltern. Aber vielleicht konnte man in Teheran nur dann ein cooler Mensch werden, wenn man in einer fetten Villenstraße lebte?
    Ich saß jetzt in der Nummer 16 und fuhr sehr lange, jeden Morgen und jeden Mittag, was auch bedeutete, dass ich viel früher aufstehen musste. Früh aufstehen war aber nicht mein Ding, und morgens jemanden sanft, aber bestimmt zu wecken, war

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