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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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losschicken wollte, müsste
ich es ja sowieso lernen. Also konnten wir genauso gut gleich damit anfangen.
    Entschlossen
reichte ich ihm meine Hand, und er hielt sie mit festem Griff. „Dann mal los!“,
forderte ich ihn auf. „Zeig, was du kannst. Ich werde dir blind folgen!“
    Wie sich nach
einigem Hin und Her herausstellte, war genau das das Geheimnis des Erfolgs.
Blind sein. Nicht sehen, wohin ich ging. Denn solange ich die Augen offen
hatte, war meine auf den Raum begrenzte Sichtweise unser größtes Problem. Da
ich mir einfach nicht vorstellen konnte, in Richtung Zeit zu gehen, schaffte
Mike es auch nicht, mich dorthin zu ziehen. Aber als ich die Augen schloss und
mich ganz seiner Führung anvertraute, klappte es ohne Probleme. Ich merkte gar
keinen Unterschied, bis ich die Augen öffnete und sah, dass die Sonne deutlich
wahrnehmbar woanders am Himmel stand als wenige Minuten zuvor, oder dass die
Uhren auf einmal rückwärts gegangen waren.
     
    Zunächst übten
wir einfach nur die Technik, ohne groß über weitere Probleme nachzudenken, doch
je sicherer Mike im Gebrauch seines neuen Talents wurde, desto mehr machte sich
eine gewisse Unruhe in mir breit. Bislang hatten wir uns nie sehr weit von unserer
Ausgangszeit entfernt, aber natürlich war es unumgänglich, bald größere
Strecken zurückzulegen, wenn wir unser eigentliches Vorhaben in die Tat
umsetzen wollten. Und je länger wir warteten, desto größer wurde die
Entfernung.
    In verschiedenen
Tests fanden wir heraus, dass die etwa vier Monate, die wir überwinden müssten,
uns ungefähr soviel Energie kosten würden wie eine Strecke von sechs bis acht
Kilometern, was zu Fuß durchaus machbar war. Allerdings wäre es damit ja nicht
getan, denn wir mussten ja zusätzlich auch die Strecke von Inverness bis
Aberdeen hinter uns bringen. Also brauchten wir auf jeden Fall einen fahrbaren
Untersatz. Natürlich könnten wir mit Mikes Auto zuerst nach Aberdeen fahren und
uns dann dort in die gewünschte Zeit vorarbeiten. Allerdings wären wir dann
unterwegs ziemlich unflexibel, und falls wir spontan reagieren müssten (zum
Beispiel vor zwei erfahrenen Zeitläufern flüchten) wären wir aufgeschmissen. Es
sei denn, Mike könnte sein Auto genauso hinter sich her ziehen wie mich.
    Wir versuchten
es – des Nachts auf einem einsamen Feldweg irgendwo im Nichts – aber der Erfolg
war gleich Null. Doch dann erinnerte ich mich glücklicherweise an etwas.
    „Ich glaube, ich
habe die Lösung!“, platzte ich auf unserer Heimfahrt, die auf Mikes Seite in
ungewohntem Schweigen verlief, heraus.
    Er warf mir
einen skeptischen Blick zu. „Wirklich? Dann raus damit! Was muss ich tun?“
    „Im Moment gar
nichts“, wehrte ich ab. „Wir brauchen erst ein anderes Fahrzeug!“
    „Ja, eine
Zeitmaschine“, spottete er. „Hast du eine zur Hand?“
    „Nein, aber ich
denke, ich weiß, wie wir eine machen können“, entgegnete ich. „Ist eigentlich
ganz einfach. Hätte ich auch sofort dran denken können!“
    „Nun mach’s
nicht so spannend“, nörgelte er ungeduldig.
    „Mir ist einfach
etwas eingefallen, was Arik mal gesagt hat, als ich ihn gefragt habe, warum er
nicht Auto fährt, bei dem nassen schottischen Wetter. Damals hat mich seine
Antwort nicht wirklich überzeugt, aber jetzt verstehe ich, was er gemeint hat.“
    „Nämlich?“
    „Er sagte, mit
einem Auto käme er nicht überall dorthin, wo er hin wollte.“
    Ich sah Mike
erwartungsvoll an und bemerkte, wie sich seine Miene schlagartig erhellte. „Ja,
klar! Du bist genial! Ein Motorrad! Du hast recht, da hätten wir gleich drauf
kommen können, so unzertrennlich, wie er und seine Maschine waren.“
     
    Gleich am
nächsten Tag lieh Mike sich die Geländemaschine von einem Bekannten, und dann
düsten wir in die Highlands. Es war seltsam und herzzerreißend, wieder hinter
einem Jungen auf einem Motorrad durch die einsame Hügellandschaft zu fahren. Es
weckte viel zu viele Erinnerungen. Zum Glück fuhr Mike nur etwa eine halbe
Stunde, bis er eine Gegend erreicht hatte, in der wir garantiert tagelang
niemandem begegnen würden. Genau das also, was wir für unser Experiment
brauchten. Ich hatte keine Lust, plötzlich vor einem aus dem Nichts
aufgetauchten Auto zu enden. Und Mike war sich nicht sicher, wie schnell er
würde reagieren können. Bisher war er ja nur Schritttempo gewöhnt.
    „Okay, bist du
bereit?“, fragte er, als er am Ende eines längeren geraden Stücks Feldweg in
Startposition gegangen war.
    Ich

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