Hinter der Nacht (German Edition)
Und wir waren nicht allein. Raphael stand uns mit Rat und Tat
zur Seite. Und mit seinem umfangreichen Wissen.
Er war total
begeistert. „Ihr glaubt, dass Claire und Arik Zeitreisende waren? Und dass dudas auch kannst?“ Seine Augen leuchteten förmlich vor Aufregung. „Wow. Das
ist fantastisch! Das würde… Wirklich, das würde vieles erklären! Ihr seid
genial!“
Und er hatte
recht. Die Zeitreisetheorie – die ja eigentlich schon mehr als eine bloße
Theorie war, auch wenn es Mike noch nicht gelungen war, seinen Zeitsprung zu
wiederholen – erklärte wirklich vieles. Sie erklärte zum Beispiel auch, wie
jemand plötzlich auftauchen und wieder verschwinden konnte. Er müsste einfach
ein paar „Schritte“ in der Zeit machen, und schon könnten normale Menschen ihn
nicht mehr sehen.
Allerdings gab
es auch Fragen, die offen blieben. Wie zum Beispiel, warum Claire nicht
irgendwann wieder zu Raphael und ihrem Sohn zurückgekehrt war. Als Zeitreisende
hätte das doch ihre einfachste Übung sein müssen. Und worin die große Gefahr
für Mike bestand.
Je länger ich
mich mit Zeitreisen beschäftigte, desto mehr Erinnerungen tauchten auch auf,
aber meistens dauerte es eine Weile, bis sich die Gedanken in meinem Kopf
soweit geordnet hatten, dass ich diese in den neuen Kontext einordnen konnte.
„Sag mal,
Raphael, als du uns deine Geschichte von Mikes Geburt erzählt hast - da hat sie
doch gesagt, dass du sie auf keinen Fall loslassen darfst, oder? Weil sie sonst
sofort verschwindet?“ Raphael nickte, fragend. Wir saßen mal wieder zusammen,
um das, was wir im Laufe des Tages herausgefunden hatten, zu vergleichen. Das
war mittlerweile zu einer richtigen Routine geworden. „Und genau das ist
geschehen, als sie schließlich doch deine Hand losgelassen hat?“ Wieder nickte
er. „Ich glaube, Arik hat das mit mir auch mal gemacht.“
„Händchen
gehalten?“, flachste Mike, und für den Bruchteil einer Sekunde klang er
unbeschwert.
Ich ging nicht
darauf ein. „Er hat mal einen Ausflug mit mir gemacht.“ Wehmütig dachte ich
zurück an den verwunschenen See. „Und damals hatte ich auch Schwierigkeiten,
mit der Zeit Schritt zu halten. Es wurde irgendwie anders hell oder dunkel, als
ich erwartete, und eine Strecke hat viel länger gedauert als die andere. Damals
waren wir auch mit einem Motorrad unterwegs, so wie bei der Entführung. Und
danach zu Fuß, aber eben mit Händchen halten.“ Hatten wir damals tatsächlich
eine Zeitreise gemacht?
Das Thema
Zeitreisen war wirklich absolut faszinierend, vor allem, wenn man Grund zu der
Annahme hatte, dass es tatsächlich möglich war – und sogar schon geschah. Aber
dann weckte ein Beitrag, den ich im Internet fand, noch etwas ganz anderes in
mir – eine verrückte, absurde, gefährliche Hoffnung. Denn wenn es tatsächlich
Menschen gab, die durch die Zeit reisen konnten - dann müssten sie ja
eigentlich auch in der Lage sein, bereits geschehene Ereignisse zu verändern. Alle geschehenen Ereignisse?
Auch Mike
beschäftigte sich mit den ungeheuren Implikationen unserer Entdeckungen. „Stell
dir mal vor, es gäbe tatsächlich Menschen, die Herr über Raum undZeit
wären! Das gäbe ihnen doch eine absolute Macht! Das wäre ja fast so, als sei
man Gott! Wenn Arik wirklich so jemand gewesen wäre – kein Wunder, dass es
Menschen gäbe, die ihn unbedingt loswerden wollten. Eigentlich müssten alle
normalen Menschen das wollen!“
Ich starrte ihn
entsetzt an. „Wie kannst du nur so etwas Schreckliches sagen? Er hat nie etwas
Böses getan!“ Meine Stimme war schrill.
„Nun beruhige
dich mal!“, beschwichtigte Mike mich. „Das habe ich ja auch gar nicht gesagt.
Aber stell dir mal vor, du weißt, dass jemand diese Macht besitzt. Und du
glaubst, er würde sie auch ausnutzen. So jemand könnte die ganze Welt
verändern. Er könnte im Handumdrehen dein Leben vernichten! Nichts wäre mehr sicher!
Hättest du so jemanden gern um dich?“
Ich schwieg. Mir
fiel keine Entgegnung ein. Mike hatte recht. Diese Vorstellung warerschreckend.
Absolut entsetzlich, genauer gesagt. So jemanden dürfte es nicht geben.
Die Erkenntnis
traf mich wie ein Schock. Ich merkte, wie ich blass wurde. Mike entging das
nicht. „Clarissa! Was ist los?“
„Genau das hat
er gesagt. Und sie auch“, flüsterte ich fassungslos.
„Wovon redest
du?“
„Von Arik. Er
hat gesagt, dass es so jemanden wie ihn gar nicht geben dürfte. Dass er böse
sei von Geburt an. Und sie haben das auch
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