Hinter der Nacht (German Edition)
sicher, dass du wieder okay bist?“, fragte der
Blonde in besorgtem Ton.
Ich nickte wider
besseres Wissen. „Jaja, kein Problem. Außerdem… Meine Mutter ist da in der
Kirche. Sie heiratet gerade.“ Keine Ahnung, warum ich ihnen das erzählte.
Schließlich kannte ich sie gar nicht. Ich sollte mich schnellstens
verabschieden und wieder reingehen. Stattdessen stand ich wie festgewachsen im
Regen. Der Gedanke, den beiden den Rücken zuzudrehen und sie zu verlassen,
schien mir absolut unmöglich. Auch wenn das total bescheuert war. Aber, obwohl
wir mittlerweile alle drei wie begossene Pudel aussahen, schienen sie es
ebenfalls nicht eilig zu haben.
Ich zermarterte
mir das Hirn, wie ich den Augenblick des Abschieds hinauszögern konnte, aber
mir fiel partout nichts ein. Meine Erfahrung auf diesem Gebiet tendierte gegen
Null. Schließlich rettete ich mich in Smalltalk. „Seid ihr – ich meine, ihr
seid nicht von hier, oder?“
„Hört man das?“
Der Blonde lachte. Nach wie vor schien er der Wortführer zu sein. Dabei hätte
ich so gerne die Stimme des Anderen gehört. „Nein, wir sind nur zu Besuch. Wir
kommen aus – Schottland.“ Er zögerte leicht, bevor er das sagte, und mir kam es
so vor, als werfe er mir einen prüfenden Blick zu. So, als erwartete er
irgendeine besondere Reaktion von mir. Als ich nichts dergleichen von mir gab,
fuhr er fort: „Schon mal dort gewesen?“
Ich schüttelte
den Kopf. „Nein. Regnet es da nicht immer?“
Der Blonde
lachte, dann entgegnete er: „Doch, öfter mal. Aber hier ist es ja auch nicht
viel besser!“
„Da hast du auch
wieder recht“, stimmte ich zu, hektisch nach weiteren Gesprächsthemen suchend.
„Äh – macht ihr hier Urlaub?“ Die Idee schien mir etwas seltsam – Kirchdorf war
nicht gerade eine Touristenhochburg und der April nicht gerade ein idealer
Reisemonat, zumal wenn man mit Motorrädern unterwegs war.
„Gewissermaßen“,
lautete die Antwort. „Wir suchen eine – Freundin.“ Wieder so eine Pause.
Ich fühlte einen
völlig irrationalen Anflug von Eifersucht. „Dann bleibt ihr länger hier?“
Die beiden
wechselten wieder einen Blick. „Solange sie uns erträgt.“ Er sah mich mit
seinen grünen Augen an, und auf einmal verspürte ich jähe Hoffnung. „Ehrlich
gesagt – sie weiß noch gar nicht, dass wir hier sind. Vielleicht – will sie uns
ja auch gar nicht.“
„Also daskann
ich mir nun wirklich nicht vorstellen.“ Die Worte waren mir rausgerutscht,
bevor ich darüber nachgedacht hatte, und sofort schoss mir Röte ins Gesicht.
Mittlerweile dachten die beiden bestimmt, dass ich völlig durchgeknallt war.
Aber seltsamerweise war mir das fast egal, solange sie nur blieben und ich
weiter mit ihnen reden konnte.
Wieder lachte
der Blonde, während der Dunkle keine Miene verzog. „Schön, dass du das sagst.
Dann haben wir ja noch Hoffnung.“
In diesem Moment
sah ich, wie sich die Kirchentüren öffneten. Jäh fiel mir wieder ein, warum ich
eigentlich hier war. Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte glatt die Hochzeit
meiner Mutter verpasst! Das Ereignis, das mir wochenlang schlaflose Nächte
bereitet und all meine Gedanken bestimmt hatte! Wie konnte die bloße Begegnung
mit zwei – wenn auch ungewöhnlich gut aussehenden – Fremden all das einfach
auslöschen?
„Oh nein, ich
glaub, ich muss zurück“, entfuhr es mir. „Da kommt das Hochzeitspaar!“
Gehetzt blickte
ich zwischen den Türen und meinen beiden Gesprächspartnern hin und her.
Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich wollte nicht, dass sie gingen! Aber
wie konnte ich sie jetzt noch aufhalten? Plötzlich hatte ich eine völlig
verrückte Eingebung, und noch bevor ich darüber nachdenken konnte, platzte ich
auch schon damit heraus.
„Hey, wisst ihr
was? Kommt doch mit zur Feier! Ich würde mich wirklich darüber freuen!“
Im nächsten
Moment wäre ich am liebsten im Boden versunken. Ich hatte tatsächlich zwei
wildfremde Motorradrocker, von denen ich nicht das Geringste wusste, zur
Hochzeit meiner Mutter eingeladen! War ich denn von allen guten Geistern
verlassen? Spätestens jetzt würden sie mit Sicherheit die Flucht vor mir, dem
mannstollen Vamp, ergreifen. Niemand mit klarem Verstand würde einer solchen
Einladung folgen.
Und richtig, die
beiden wechselten einen langen Blick, und dann sagte der Blonde: „Wenn du uns
wirklich dabei haben willst – gerne!“
Ich traute
meinen Ohren nicht und sah ihn mit offenem Mund an. Es dauerte eine Weile, bis ich
meine
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