Hinter der Nacht (German Edition)
Geschichte stimmt, dann
hat es selbst mich dazu gebracht, Clarissa zuliebe meinen eigenen Kampf zu
vergessen und nur noch an sie zu denken.
Die Wächter
dagegen waren bereit, für ihre Gesetze, die ich bisher unumstößlich als wahr
und gut akzeptiert habe, selbst Unschuldige zu töten. Wie Clarissa geschrieben
hat: Wer ist nun böse? Und wer gut?
Mike unterbricht
meinen inneren Kampf mit keinem Wort, sondern wartet geduldig, bis ich mit mir
im Reinen bin. Dann blickt er mich fragend an. „Und?“
„Worauf wartest
du noch?“, frage ich zurück. „Ich bin bereit! Lass uns gehen!“
Neustart
Clarissa
Am Vorabend der
Hochzeit meiner Mutter schlief ich extrem schlecht. Es war Anfang April, der
letzte Schultag vor den Osterferien, und wochenlanges graues und kaltes Wetter
lag hinter uns. Nicht, dass mich das gestört hätte. Es spiegelte exakt meine
Stimmung wieder.
Jahrelang hatten
meine Mutter und ich zu zweit vor uns hin gelebt, wenn man mal von kurzen
Episoden mit dem einen oder anderen Mann in ihrem Leben absah. Sie war schnell
entflammt, aber es waren immer Strohfeuer, die genau so rasch wieder erloschen
wie sie heftig aufgefackelt waren. Mir war das Recht. Ich brauchte keinen Mann
in unserem Leben.
Alles ging gut,
bis sie Philipp begegnete. Zunächst schöpfte ich keinen Verdacht, als er eines
schönen Morgens spärlich bekleidet – und bei meinem Anblick peinlich berührt –
in der Badezimmertür mit mir zusammenstieß. Es war nicht meine erste Begegnung
dieser Art, und ich machte mir nicht die Mühe, mir sein Gesicht zu merken.
Nachdem
allerdings mehrere Wochen und dann sogar einige Monate verstrichen, ohne dass
Amandas Begeisterung für ihn nachließ, begann ich, mir Sorgen zu machen. Es
würde doch nichts Ernsteres werden? - Wieernst, merkte ich erst, als es
zu spät war. Als Amanda mir verlegen herumdrucksend, wie es sonst gar nicht
ihre Art war, und mit völlig untypisch rötlich angehauchten Wangen eröffnete,
dass es demnächst eine Veränderung geben würde. Eine großeVeränderung.
Oh nein, sie
ist schwanger! , war mein erster Gedanke. Hätte sie nicht aufpassen
können? Es war nicht gerade mein Traum, im fortgeschrittenen Alter von
immerhin 17 Jahren noch Schwester zu werden. Und mit Sicherheit würde ich mich
nicht als Babysitter missbrauchen lassen!
Doch es kam noch
schlimmer. Viel schlimmer! „Clarissa, Schätzchen! Ich bin ja so glücklich! Phil
und ich – wir werden heiraten! Du bekommst endlich wieder einen Vater!“ Sie
strahlte mich an, als hätte sie mir soeben das größte Geschenk meines Lebens
gemacht.
Ich starrte nur
fassungslos zurück. „Ich habe schon einen Vater!“, war alles, was mir auf die
Schnelle einfiel.
Das Lächeln
meiner Mutter wurde etwas verkniffen. „Aber Clarissa, Liebes!Freust du
dich denn gar nicht? Das war es doch, was du immer gewollt hast! Immer hast du
mir damit in den Ohren gelegen. Ich will auch einen Papa haben! “
„Mama“,
erwiderte ich genervt und sah mit Genugtuung, dass sie das Gesicht verzog. Sie
hasste es, so genannt zu werden. Sie fand, es machte sie alt, die Mutter einer
fast erwachsenen Tochter zu sein. „Damals war ich höchstens fünf! Seitdem habe
ich mich daran gewöhnt, dass mein Vater einfach – etwas Abstand hält.“ Das war
zwar eine krasse Untertreibung, denn ich sah ihn so gut wie nie, aber der Zweck
heiligte die Mittel. „Ich bin völlig zufrieden so, wie es ist. Meinetwegen musst
du wirklich nicht heiraten!“
„Also, das ist
ja mal wieder typisch“, ereiferte sie sich. „Als ob sich alles nur um mein
wertes Fräulein Tochter dreht! Meinst du, ich habe kein Recht darauf, auch
endlich mal wieder glücklich zu sein?“
Ich stöhnte
innerlich. Wenn sie erstmal damit anfing, gab es sobald kein Ende mehr. Ich
schaltete meine Ohren auf Durchzug, während sie sich darüber ausließ, wie sie
sich für mich aufgeopfert hatte, und dass sie ja wohl wenigstens Dankbarkeit
von mir erwarten könnte.
Nichts davon war
wahr. Amanda hatte niemals mir zuliebe auf irgendetwas verzichtet. Ich war von
klein auf sehr selbstständig gewesen – gezwungenermaßen, denn sie hatte nie
Zeit für mich gehabt. Wenn sie nicht arbeitete, verbrachte sie ihre Zeit im
Fitnessstudio oder am Telefon, mit Freundinnen oder gerade aktuellen Lovern.
Mir machte das nichts aus. Ich kannte es nicht anders. Und immerhin ging es mir
besser als manch einer meiner Klassenkameradinnen, die ständig Rechenschaft
darüber ablegen mussten, was sie
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