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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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du
denn hier? Bist du allein? Wo ist denn dein Bruder?“, fragte ich atemlos.
    „Der kommt schon
klar.“ Seine Stimme klang abweisend. „Aber wenn du lieber allein wärst…“
    „Nein, nein!“,
wehrte ich schnell ab, während irgendwo in meinem Kopf ein ersterbendes
Stimmchen Doch, doch!, wisperte. Ich ignorierte es. „Ich wollte nur ein
bisschen frische Luft schnappen.“ Ich war stolz auf mich – das klang doch fast
lässig, auch wenn in Wahrheit mein Inneres komplett verrückt spielte.
    Der Pfad führte
sanft bergab, immer durch den Wald. Da er schmal war, ging ich voran, und mein
Begleiter folgte mir. Ich war froh über die Dunkelheit und den erzwungenen
Abstand, denn so schaffte ich es hoffentlich, meine Fassung halbwegs
wiederzuerlangen, bevor ich wieder mit ihm reden musste. Warum war er hier? Und
wieso alleine? Wenn überhaupt, hätte ich das höchstens von Mike erwartet, der
einem Flirt nicht abgeneigt schien. Dass Arik freiwillig meine Gesellschaft
suchte, kam mir hingegen völlig abwegig vor.
    Feuchte Äste
streiften mein Gesicht, ich hörte nur unsere Schritte auf dem weichen Waldboden
– und das leise Atmen des Jungen hinter mir. Jedes einzelne Luftholen jagte mir
einen Schauer der Erregung den Rücken hinunter. Nach einer Weile verriet ein
leises Plätschern vor uns, dass wir am Seeufer angekommen waren. Kurz darauf
sah ich ihn vor mir – eine samtene schwarze Fläche, auf der der Mond silberne
Lichter funkeln ließ. Ein Anblick, der mich schon wieder viel zu sehr an den
Jungen hinter mir erinnerte.
    Unsicher blieb
ich stehen, und Arik, der offenbar nicht damit gerechnet hatte, stieß gegen
mich. Für einen kurzen Moment spürte ich wieder so etwas wie einen Stromstoß,
bevor er hastig einen Schritt zur Seite machte. Ich war gleichzeitig
erleichtert und enttäuscht.
    „ Sorry.“ Das
war alles, was über seine Lippen kam, dann verstummte er wieder.
    Ich zerbrach mir
den Kopf über eine passende Erwiderung, aber mein Gehirn war wie leergefegt.
Ich war mir fast schmerzhaft seiner Nähe bewusst, die mich schier überwältigte.
Was hatte er bloß an sich, dass er diese Wirkung auf mich ausübte? Eigentlich
hatte ich immer gedacht, dass ich viel zu vernünftig für „so etwas“ war.
Heimlich hatte ich sogar immer die Nase gerümpft, wenn eine meiner
Mitschülerinnen den anderen mal wieder haarklein erzählte, wie sie beim Anblick
irgendeines tollen Typen auf der Stelle hin und weg gewesen war. So etwas würde
mir nicht passieren, dessen war ich mir sicher gewesen. Und jetzt stand ich
hier, Seite an Seite mit diesem Jungen, und es hatte mich gleich auf den ersten
Blick vollkommen und unheilbar erwischt. Wenn es sein Bruder gewesen wäre, bei
dem mich der Blitz getroffen hätte, hätte ich das ja noch einigermaßen
verstehen können. Derkonnte es nicht nur locker mit jedem männlichen
Model aufnehmen, sondern er sprühte auch vor Charme und Esprit. Aber obwohl ich
ihn unglaublich nett fand und mich in seiner Gegenwart so wohl fühlte, wie ich
es bei einem derart gutaussehenden Jungen niemals erwartet hätte, entfachte er
in mir nicht die leiseste Spur von Verliebtheit. Er kam mir eher so vor wie der
große Bruder, den ich mir immer gewünscht, aber nie bekommen hatte. Arik
hingegen…
    Unwillkürlich
seufzte ich und biss mir dann sofort erschrocken auf die Lippen. Hoffentlich
hatte er das nicht gehört. Verstohlen sah ich ihn von der Seite an, aber er
blickte nur reglos auf den See.
    „Es ist schön
hier.“ Ich zuckte zusammen, als er unerwartet das Schweigen brach.
    „Ja.“ Na Klasse.
Wenn ich so weitermachte, würde er glauben, dass ich gehirnamputiert war.
Allerdings käme er meiner momentanen Verfassung damit ziemlich nahe.
    „Bist du oft
hier?“ Zum ersten Mal sah er mich an, und ich bemühte mich, seinem Blick nicht
sofort wieder auszuweichen. Es war verdammt schwierig. Nur gut, dass er in der
Dunkelheit die verräterische Röte, die mein Gesicht bestimmt einer Tomate
gleichen ließ, nicht sehen konnte.
    „Nein,
eigentlich nicht.“
    „Lebst du gern
hier?“
    „Ist okay.“
Selbst mir fiel auf, dass meine Stimme nicht besonders begeistert klang. „Ist
ein Ort wie jeder andere.“
    „Hmm.“ Wieder
eine Pause. „Hast du nie darüber nachgedacht, hier wegzugehen?“
    Die Richtung,
die seine Fragen nahmen, wunderte mich. War das nur Smalltalk, oder steckte
eine bestimmte Absicht dahinter? Aber welche sollte das sein?
    „Nein,
eigentlich nicht. Nicht konkret jedenfalls. Vielleicht

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