Hinter der Nacht (German Edition)
erklären. „Es kommt mir einfach so - normal vor,
mit euch hier zu sitzen und zu reden. So, als würden wir uns schon ewig kennen
und nicht erst seit ein paar Stunden!“
„Vielleicht sind
wir uns ja wirklich schon begegnet – in einem anderen Leben!“ Zu meiner
Überraschung war es nicht Mike, sondern Arik, der das gesagt hatte, und ich sah
ihn verunsichert an. Wollte er sich über mich lustig machen? Aber er wirkte
absolut ernst und erwiderte meinen Blick mit einer Intensität, die mir fast Angst
machte. Weil sie mich völlig wehrlos zurückließ. „Oder im Traum!“
Plötzlich
durchzuckte mich eine Erinnerung. Erschrocken schnappte ich nach Luft.
Mike bemerkte es
sofort. „Was ist?“, fragte er irritiert.
„Ach, nichts“,
wiegelte ich schnell ab, „ist eigentlich Quatsch. Es ist nur… Es klingt
vielleicht lächerlich, aber mir ist eben was eingefallen… Ich hatte letzte
Nacht so einen seltsamen Traum…“
Das war die
Erklärung, warum mich ihr Anblick vor der Kirche so überwältigt hatte! Mir war
schlagartig klar geworden, dass es ihre Augen gewesen waren, die ich
letzte Nacht im Traum gesehen hatte. Mikes grüne und Ariks schwarze. Daran gab
es gar keinen Zweifel. Nur –
„Ein Traum?
Hatte der was mit uns zu tun?“
„Na klar“, sagte
ich so locker wie möglich. „Falls ihr die zwei Engel seid, mit denen ich es da
zu tun hatte!“
„Engel? Also –
eine gewisse Ähnlichkeit ist da natürlich schon vorhanden…“ Mike grinste mich
verwegen an.
Arik dagegen
zuckte zusammen und verzog das Gesicht. Wahrscheinlich fand er mich ziemlich albern.
Oder komplett übergeschnappt. Der Gedanke daran, was er jetzt von mir denken
musste, stürzte mich sofort in tiefste Verzweiflung. Ich bereute es, überhaupt
etwas gesagt zu haben. Ich brauchte dringend eine Arik-freie Atempause, bevor
ich mich vollends um Kopf und Kragen redete.
Mit letzter
Kraft flüchtete ich an den einzigen Ort, wo ich ihm mit Sicherheit nicht
begegnen würde. „Oh. Mein. Gott!“ Diese drei Worte wiederholte ich
wieder und wieder, während ich auf dem Klodeckel saß und mein Gesicht in meinen
Händen verborgen hielt. Was sollte ich nur tun? Ich war verloren - vollkommen,
rettungslos, unwiderruflich verloren! Wenn ich auch nur eine Sekunde länger in
seiner Gegenwart verbrachte, würde ich explodieren! Schon jetzt hatte ich das
Gefühl, auf einem schmalen Drahtseil zu balancieren - über einem Abgrund voll
glühender Lava, die jeden Moment hoch kochen und mich mit Haut und Haar
verschlingen konnte. Wenn ich auch nur einen falschen Schritt tat, würde ich
abstürzen. Hinzu kam die Gewissheit, dass es, so sehr ich es mir auch wünschte,
absolut ausgeschlossen war, dass er auch nur annähernd dasselbe für mich
empfand wie ich für ihn. Warum sollte er auch? Er kannte mich ja gar nicht. Und
wenn er mich kennen würde, wäre es noch unwahrscheinlicher. Niemand empfand
so für mich. Es gab keine Rettung, außer, dieses Seil schnellstmöglich zu
verlassen und mich wieder auf sicheren Boden zu begeben. Auch wenn ich das
dumpfe Gefühl hatte, dass es dafür schon längst viel zu spät war. Von Anfang an
zu spät gewesen war…
In diesem
Zustand konnteich einfach nicht zurück zu den beiden gehen. Ich musste
wenigstens versuchen, wieder einen einigermaßen klaren Kopf zu kriegen, bevor
ich denselben endgültig verlor. Also schlich ich mich zur Garderobe und wühlte
dort nach meiner Jacke. Dann eilte ich nach draußen.
Wohltuend kühle
Nachtluft empfing mich. Zum Glück hatte es inzwischen aufgehört zu regnen, und
nach der stickigen Luft im Lokal war es draußen richtig angenehm. Das
Restaurant, das Amanda und Philipp sich für die Feier ausgesucht hatten, lag
romantisch mitten im Wald, oberhalb eines kleinen Sees. Ich atmete tief durch.
Dann sah ich einen schmalen Pfad, der in Richtung See zu führen schien, und
beschloss, einen Spaziergang zu machen. Es war gar nicht dunkel, dank des Vollmonds,
und vielleicht würde die kalte Nachtluft meine verrückte Besessenheit ja
klären. So ging es jedenfalls nicht weiter!
„Wohin gehst
du?“
Oh nein! Ich
erstarrte mitten im Schritt. Dann drehte ich mich langsam um. Vor mir stand
Arik, seine Lederjacke lässig über die Schulter geworfen, und sah mich so
gelangweilt an, als interessiere ihn die Antwort nicht im Geringsten. Trotzdem
legte mein verräterisches Herz einen echten Kavaliersstart hin, bei dem ich die
allergrößte Mühe hatte, mir nichts anmerken zu lassen.
„Was machst
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