Hinter der Nacht (German Edition)
meinem Innern ließ mich auf Sonnenstrahlen
schweben. Schottland war am Ende vielleicht doch nicht so schlecht.
„ Chin chin. “
Wieder klirrte
mein Glas, in dem nur noch ein kleiner Rest Whisky schwamm, an ein anderes. Ich
hatte inzwischen mit jedem im Kreis mehrfach angestoßen und schaute gar nicht
mehr hin, wer da vor mir stand, doch die rau klingende Stimme, die mir
unerklärlicherweise sofort eine Gänsehaut verursachte, ließ mich irritiert
aufblicken. Schlagartig erlosch mein Lächeln. Ihn hatte ich total vergessen in
dem ganzen Trubel. Wahrscheinlich hatte ich insgeheim gehofft, er hätte
mittlerweile aufgegeben und wäre verschwunden. Aber nein, da stand er, mir
direkt gegenüber, ebenfalls mit einem Glas Whisky in der Hand, und schaute mich
finster an. Oder kam mir das nur so vor wegen seiner unnatürlich dunklen Augen?
Plötzlich faszinierten mich diese Augen auf eine Art, die mir eine Gänsehaut
verursachte. Sein Blick ging mir durch Mark und Bein, und mir wurde bewusst,
dass ich wohl irgendetwas sagen sollte. Nur was? Ich zermarterte mir das
Gehirn, aber jeder klare Gedanke war wie weggeblasen. Zurück blieb nur die
Empörung über alles, womit er mir hier von Anfang an das Leben noch schwerer
gemacht hatte, als es sowieso schon war.
„Was willst du
denn?“, schnauzte ich ihn angriffslustig an. Heimlich bedankte ich mich bei all
dem Alkohol, den ich in mich hineingeschüttet hatte, und der mir nun den Mut
gab, endlich mal auszusprechen, was ich dachte. „Weswegen bist du hier?“
Er sah mich mit
zusammengekniffenen Lippen an, und ich spürte seine Verachtung fast körperlich.
Dieses ständige Starren machte mich ganz zappelig. Dann fauchte er mich an:
„Also, wegen dir jedenfalls bestimmt nicht!“
Mir fiel die
Kinnlade runter. Das war ja wohl der Gipfel! Dieser Typ war einfach absolut
unmöglich! Un-mög-lich! Wenn er wenigstens mal gelächelt hätte, einmal nur!
Aber er verzog keine Miene. Seine Augen waren so schwarz, dass man die Pupille
nicht von der Iris unterscheiden konnte. Trotzdem fühlte ich mich
peinlicherweise unfähig, den Blick von ihm abzuwenden, obwohl ich mir bewusst
war, wie bescheuert ich aussehen musste. Es war, als hätte er mich
hypnotisiert. Wie die Schlange das Kaninchen, kurz bevor sie es verschlingt.
„Also?“, fragte
er schließlich herausfordernd.
„Also was?“,
entgegnete ich atemlos. Plötzlich war mein Whisky-Mut wie weggeblasen. Was
wollte er denn noch von mir?
„Du hast mit mir
angestoßen, also musst du jetzt auch trinken!“ Er hob das Whiskyglas in die
Höhe.
Das machte mich
fertig. Eben noch hatte er mir gesagt, dass ich die Letzte war, für die er sich
interessierte, und jetzt wollte er auf einmal mit mir trinken. „Ich muss gar
nichts!“, erwiderte ich empört. Um nichts in der Welt würde ich diesem Grobian
noch näher kommen! Kurz entschlossen stürzte ich den Rest aus meinem Glas mit
einem Zug hinunter. Das Brennen war mir diesmal egal. Ich hatte das Gefühl,
dass mir, nachdem ich diese Begegnung überstanden hatte, nichts mehr etwas anhaben
könnte. Zumindest heute Abend nicht.
Der Rest der
Party verschwamm in meinem Kopf zu einem lärmenden, wild wirbelnden Nebel. Ein
Nebel, in dessen Mittelpunkt sich ein schwarzes Loch verbarg, das mich, obwohl
ich mich mit Händen und Füßen dagegen sträubte, krankhaft anzog. Und irgendwie
hatte ich das dumpfe Gefühl, dass ich dieser Anziehungskraft auf Dauer nicht
widerstehen könnte.
Abwehr
Clarissa
Das Aufwachen am
nächsten Morgen war unsanft. Zu meinem Schrecken hatte ich keine Erinnerung
daran, wie und wann ich in mein Bett gekommen war. Mein Kopf dröhnte, ich hatte
einen sehr unangenehmen Geschmack im Mund, und in meinem Magen schien
irgendetwas Scheußliches vor sich hin zu faulen. Als ich versuchte, mich
aufzurichten, schwankte das Zimmer um mich herum, und der Fußboden kam mir
entgegen. Schnell legte ich mich wieder hin, aber viel besser war das auch
nicht. Nun drehte sich die Zimmerdecke. Ich hatte das Gefühl, immer tiefer in
meinem Bett zu versinken, aber es war kein schönes Gefühl. Stöhnend hielt ich
mir die Hände an den schmerzenden Schädel. Ich brauchte unbedingt etwas zu
trinken. Meine Kehle war wie ausgedörrt. Ein suchender Blick bescherte mir, was
ich brauchte: Wer auch immer mich hierhin befördert hatte, hatte in weiser
Voraussicht eine Flasche Wasser neben mein Bett gestellt. Erleichtert nahm ich
einen großen Schluck, dann ließ ich mich wieder in die
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