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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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erfahren habe.
    Als ich weit
genug weg bin, fahre ich an den Straßenrand, halte an, steige ab und überprüfe
dann, ob an meinem Bike wirklich alles in Ordnung ist. Abgesehen von ein paar
Kratzern im Lack sieht es aus wie immer. Dann checke ich mich selbst. Meine
gesamte rechte Seite pocht. Aber wenigstens scheint nichts gebrochen zu sein.
Mit einer Prellung kann ich klarkommen. Ist nicht meine erste. Also beschließe
ich, zurück zu fahren.
    Ich sehe sie
sofort, als ich auf den Parkplatz fahre. Ein blasses, schmächtiges, irgendwie
verloren wirkendes Mädchen. Ohne auf ihre Umgebung zu achten, steht sie mitten
auf der Fahrbahn. Als gehörte ihr der ganze, verdammte Platz. Gut, dieses Mal will ich sie definitiv nichtumfahren. Aber ungeschoren soll sie
auch nicht davonkommen.
    Ich beschleunige
nochmals, dann rase ich genau auf sie zu. Mit grimmiger Befriedigung
registriere ich, wie sie sich erschrocken umdreht, als sie mich hört, und wie
sich ihre Augen im Angesicht der drohenden Gefahr entsetzt weiten. Gut so! Ich
hoffe, sie erleidet einen richtigen Schock und macht in Zukunft einen weiten
Bogen um mich! Ich lasse den Motor noch einmal aufheulen und mache dann - im
allerletzten Moment - einen Schlenker, der mich haarscharf an ihr vorbeiführt.
Erst danach reduziere ich meine Geschwindigkeit und parke dann an meiner
üblichen Stelle.
    Bevor ich den
Helm abnehme, werfe ich noch einen Blick zurück. Sie steht immer noch an
derselben Stelle, allerdings nicht mehr allein, sondern klammert sich wie eine
Klette an irgendeinen der zahllosen Typen, die es hier zuhauf gibt – die keine
Gelegenheit ungenutzt lassen, ein Mädchen zu betatschen. Und die blöden Weiber
stehen auch noch drauf. Stimmt, das habe ich bei meiner Aufzählung
verachtenswerter menschlicher Eigenschaften noch vergessen. Dabei hätte sie
eigentlich an allererster Stelle kommen müssen. Ihre triebgesteuerte Begierde.
Die sie Liebe nennen! Ihre ganze kleine, beschränkte Welt dreht sich nur
darum. Im Grunde sind sie nichts anderes als Tiere. Auch wenn sie sich für die
Krone der Schöpfung halten.
    Während die
Unbekannte mich anstarrt wie den Teufel persönlich, präge ich mir ihr
furchtsames Gesicht genau ein. Denn wenn sie mir noch mal in die Quere kommt,
werde ich sie nicht so leicht entkommen lassen, das schwöre ich mir.

Ballspiele
    Clarissa
     
    Nach der unheimlichen
Begegnung auf dem Parkplatz war ich so fertig, dass ich nicht einmal mehr die
Kraft hatte, nervös zu sein. Und so verlief der Rest des Tages tatsächlich
harmloser, als ich es erwartet hatte.
    Die Begrüßung in
der Aula hatten wir größtenteils verpasst, aber zum Glück kamen wir gerade noch
rechtzeitig zur Verteilung der Stundenpläne. Mike brachte mich zum
Jahrgangsstufenleiter der Fünften, einem korrekt wirkenden älteren Herrn im
geschniegelten grauen Anzug, dessen Namen ich sofort wieder vergaß, und stellte
mich vor. Dann verabschiedete er sich, da er zu seiner eigenen Jahrgangsstufe
musste. Während ich in der S5 war, war er ein Jahr über mir, in der S6, dem
Abschlussjahr. Als er ging, kam ich mir komischerweise sehr verloren vor. Auch
wenn er nicht gerade vor Liebenswürdigkeit strotze, war er doch der einzige
Mensch, den ich hier kannte. Und in den letzten Minuten hatte er mir sogar fast
so etwas wie Freundlichkeit entgegengebracht. Das war mehr, als ich von all
meinen früheren Mitschülern behaupten konnte.
    Zum Glück ließ
mir mein Gegenüber keine Zeit zum Grübeln. Aus einem Stapel von Papieren, die
er in der Hand hielt, händigte er mir meinen Stundenplan aus und winkte dann
ein Mädchen, das in der Nähe stand, herbei. Die Angesprochene, die bei ein paar
anderen Mädchen gestanden hatte, löste sich von ihnen und kam sofort mit einem
eifrig aussehenden Gesichtsausdruck herbeigewieselt.
    „Clarissa, das
ist Jennifer. - Jennifer, Clarissa ist neu bei uns. Ihr habt mehrere Kurse
zusammen. Würdest du ihr bitte die Räume zeigen und alles erklären?“
    „Hi, Clarissa, nice
to meet you ”, begrüßte mich die Angesprochene brav mit einem etwas
schlaffen Händedruck, doch ihre Miene strafte ihre Worte Lügen. Auch sie wirkte
bei meinem Anblick genervt, genau wie Mike, als hätte sie wenig Lust auf ihren
Auftrag. Ich verkrampfte mich. Hier würde es also auch nicht anders laufen als
zu Hause. Dabei sah sie eigentlich ganz nett aus, eine hübsche Brünette mit
einem Pferdeschwanz und rehbraunen Augen hinter einer runden Brille. Ich wäre
gerne mit ihr befreundet

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