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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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unvermittelt von Jenny unterbrochen. „Na, kennst du den etwa auch?“,
fragte sie anzüglich und deutete mit dem Kinn in die Richtung des Unbekannten.
    Ich war peinlich
berührt, bei meiner Bewunderung ertappt worden zu sein. „Nein.“ Dann jedoch
siegte meine Neugier. „Und du?“
    „Nein danke,
kein Interesse.“ Sie rümpfte die Nase und gab sich keine Mühe, die Abneigung in
ihrer Stimme zu verschleiern. „So, wie der sich immer aufführt… und aussieht…
Mit dem will keiner was zu tun haben. Ist ein totaler Einzelgänger. Arik East. The
Beast “, fügte sie kichernd hinzu. „Sein Spitzname. Sagt eigentlich alles
über ihn, findest du nicht?“
    The Beast. Wenn
mich meine Englischkenntnisse nicht trogen, hieß das „der Rohling“ oder gar
„die Bestie“. Ich fragte mich, womit sich jemand soeinen Spitznamen
verdient hatte. Überhaupt hatte ich prinzipiell etwas gegen fiese Namen. Wenn
man, so wie ich, selbst mal damit „beehrt“ worden war, gönnte man das
niemandem.
    Ein schrilles
Pfeifen in unangenehmer Nähe meines Trommelfells bereitete unserer Unterhaltung
ein abruptes Ende. „Ruhe!“ Der Sportlehrer hatte einen Ton wie ein
Militärkommandant und pfiff zusätzlich und völlig überflüssigerweise ein
weiteres Mal auf seiner Trillerpfeife. Nervös sah ich, dass er ein Netz voller
weißer Bälle dabei hatte. Wenigstens waren es keine Basketbälle. Soviel konnte
ich immerhin unterscheiden. Vielleicht konnten meine Mitschüler mit diesen hier
– was auch immer es war – ja nicht ganz so perfekt umgehen. Obwohl ich mir in
der Hinsicht keine übermäßigen Hoffnungen machte. Ich wusste aus Erfahrung,
dass kaum jemand so ungeschickt mit Bällen war wie ich. „Alle herkommen und
hinsetzen!“ Er deutete mit seinen Händen einen Kreis um sich herum an. Ich ließ
mich im Schneidersitz neben Jenny auf dem Boden nieder und wappnete mich
innerlich für die bevorstehende Sportstunde. Jetzt würde sich gleich
herausstellen, welche Art von Folter er für mich vorgesehen hatte.
    Erst, als ich
meinen Blick wieder von dem Ballnetz losriss und aufblickte, registrierte ich,
dass der dunkelhaarige Junge, den ich vorhin so schamlos angestarrt hatte, mir
genau gegenüber saß. Sofort wurde ich rot. Und dann sah ich seine Augen. Der
Schock durchfuhr mich wie ein Blitz, und es hätte nicht viel gefehlt und ich
hätte laut aufgestöhnt. Sofort ließ ich mir die Haare ins Gesicht fallen und
fixierte den Fußboden direkt vor meinen Knien. So musste ich wenigstens nicht
noch einen von diesen tödlichen Blicken mitkriegen, mit dem er mich auf dem
Parkplatz bedacht hatte. Denn da saß er, zum Greifen nah: Der Motorradfahrer. The
Beast. Auf einmal konnte ich mir recht gut vorstellen, warum er diesen
Spitznamen hatte. Beim Gedanken an den total unfreundlichen Empfang hier, den
er mir völlig grundlos bereitet hatte, biss ich die Zähne zusammen und kroch in
mich zusammen. Unter meinem Haarvorhang warf ich einen verstohlenen Blick auf
ihn. Vielleicht erkannte er mich ja nicht wieder und ließ mich in Ruhe.
Schließlich hatte ich ihm nichts getan. Aber der düstere Blick, den ich selbst
durch meinen Vorhang deutlich spürte, ließ auch diese Hoffnung schwinden.
    Und es kam noch
dicker.
    „Bevor wir
anfangen, stellt sich jeder kurz vor! Ich will schließlich wissen, mit wem ich
es zu tun habe. Ich mach den Anfang, und dann geht’s hier links im Kreis
weiter.“ Ich war nicht die einzige, die auf diese Ankündigung unseres
Sportlehrers mit einem Stöhnen reagierte. Ich hasste Vorstellungsrunden.
Und in diesem besonderen Fall erst recht! „Wer mich noch nicht kennt: Ich bin
Coach McDermott, Trainer der Schulrugbymannschaft. In diesem Kurs werden wir
uns daher mit allem, was rund oder oval ist, beschäftigen. Ich verlange
natürlich harten Einsatz, dann gibt’s auch gute Noten. Schwächlinge kann ich
bei mir nicht brauchen! So, und nun der Nächste.“ Einige verwirrte Seelen
klatschten Beifall, während ich mich wie in einem bösen Traum fühlte.
    Der Coach schaute das Mädchen, das neben ihm saß, eine hübsche Blondine vom Typ
Cheerleader, auffordernd an, und sie ratterte brav los. An mir rauschte ihre
Vorstellung vorbei. In meinem Kopf drehten sich die Gedanken. Irgendetwas war
da ganz schrecklich schief gelaufen. Wie hatte ich nur in diese Truppe geraten
können? Gab es hier denn keinen netten, normalen Turnunterricht wie in
zivilisierteren Gegenden? Oder hatte ich bei der Anmeldung etwas übersehen? Wie
auch immer,

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