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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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seelischer Erster Hilfe gefaßt machte.
    Überraschenderweise war Helen bei blendender Laune.
    »Was soll‘s!« sagte sie. »Bei Larry kam schon das Knie durch. Er ist erst achtundzwanzig, und das Haar geht ihm aus wie nichts. In drei oder vier Jahren wäre er völlig kahl gewesen.«
    »Jedes Ding hat eine gute Seite«, sagte Gail lächelnd.
    »Klar. Obwohl es durchaus sein kann, daß ich in drei oder vier Jahren kahl bin, wenn ich mir weiter bei derselben Friseuse die Haare färben lasse. Sie heißt Olga – könnte durchaus eine russische Agentin sein, die von innen bohrt. Was wohl auch auf mich zutrifft, wie? Ich bohre dir auf den Nerv?«
    »Nein«, sagte Gail. »Natürlich nicht. Hör zu, Helen, es tut mir wirklich leid, daß es so lange gedauert hat, bis ich dich mal besucht habe. Gehst du immer noch zur Kunst-Liga?«
    »Ja. Aber es macht mir keinen großen Spaß mehr. Das Beste an der Sache war wohl, daß man jemanden zum Reden hatte.«
    »Das ist komisch«, sagte Gail. »Ich habe Steve genau dasselbe gesagt.«
    »Du triffst dich immer noch mit dem Privatdetektiv?«
    »Ja.«
    »Ist es was Ernstes?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Du siehst aber ziemlich ernst aus. Ja, du siehst fast so aus, wie ich aussehen sollte. Was ist los?«
    »Nichts«, sagte Gail. »Ich habe nur schlechte Nachrichten über Verwandte von mir erhalten. Sie sind beim Skifahren in der Schweiz umgekommen.«
    »O Mann, das ist aber bedauerlich! Und dabei habe ich dich eingeladen, damit mir besser wird. Du wirst doch nicht ins Ausland fahren müssen – zur Beerdigung oder so?«
    »Nein, die Sache ist offenbar schon vor Monaten passiert, aber ich habe erst heute davon gehört. Ich habe die Leute auch gar nicht gekannt, Helen – ich wollte keine morbiden Gespräche führen.«
    »Warum denn nicht?« Helen zündete sich eine Zigarette an, und der stechende Duft ließ Gail zusammenfahren; nun war auch die gelöste Stimmung ihrer Freundin erklärt. »Die Morbidität gehört zu meinen Lieblingsthemen. Du weißt ja nicht, wie oft ich an den Tod denke! Oder vielleicht bin ich nur bereit auszusprechen, daß ich daran denke. Wahrscheinlich geben andere Leute ihre heimlichen Gedanken nicht so offen zu. Möchtest du mal einen Zug?«
    »Nein, danke«, sagte Gail und rümpfte die Nase, als sich der Qualm an ihrem Gesicht vorbeikräuselte.
    »Wird dir guttun. Du hast doch schon gepafft, oder?«
    »Ja, einmal. Aber das hat mir nicht gefallen.«
    »Vielleicht liegt‘s dir beim zweitenmal mehr. Ausgezeichnetes Gras. Los, mach schon.«
    Gail griff zögernd nach dem Joint; sie nahm das Angebot nur an, weil sie ihrer Freundin helfen wollte.
    »Du kannst das Ding zu Ende rauchen«, sagte Helen. »Ich habe noch ein halbes Dutzend – fertiggerollt und alles. Das Erbe des vielbeklagten Larry Rosenbaum, ab sofort als Kahlkopf Rosenbaum bekannt.« Sie fischte eine andere Zigarette aus der Schublade des Couchtisches und zündete sie an. »Seine Überreste, die in Rauch und Asche aufgehen.« Sie kicherte. »Siehst du? Man kommt nicht davon los – wie vom Sex.«
    »Wovon?« Gails erster Zug ließ bereits das Zimmer kreisen.
    »Vom Tod natürlich. Denkst du nie darüber nach?«
    »Ich glaube schon.«
    »Sei ehrlich – denkst du nicht sogar oft daran? Wie es so ist, wenn man nicht mehr lebt?«
    »Man merkt wohl gar nicht mehr, daß man nicht mehr lebt – wenn man tot ist, meine ich.« Das kam ihr lustig vor, und sie lachte.
    »Ich weiß nicht – das kann ich jedenfalls nicht akzeptieren«, sagte Helen. »Ich meine – die Vorstellung, daß man nichts mehr fühlt oder weiß. Eine Art endloses Nichts – das ist doch kaum denkbar. Alles hat einmal ein Ende, stimmt‘s? Ich sage, wenn das Leben mal endet, endet vielleicht auch der Tod.«
    »Das ist interessant formuliert«, sagte Gail, der ein wenig übel war. Aber sie rauchte weiter und erkannte, daß ihr die beiden ersten Züge an einer Marihuanazigarette keine Vorstellung von den tollen Möglichkeiten des Stoffes vermittelt hatten. Vielleicht lag es auch daran, daß sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte oder daß ihr Helens Gesprächsthema nicht lag. Oder sie war beunruhigt durch das Gespräch mit Steve und die Tatsache, daß er jetzt nicht bei ihr war und daß sie sich halb gestritten hatten – hieß das, daß sie sich auch nur halb versöhnen konnten? Sie kicherte – oder Helen kicherte; sie wußte es nicht mehr genau.
    »Weißt du, was ich meine?« fragte Helen, und ihre rechte Hand nahm den doppelten

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