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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Umfang an, als sie die Zigarette an die Lippen hob. »Ich glaube, der Tod ist etwas, das schrecklich mißverstanden wird, ehrlich. Das Problem mit dem Tod ist, daß er keine Lobby hat.« Ihr Kopf schrumpfte etwas zusammen, doch ihre Augen blieben unverändert groß – riesige braune Kugeln, die sie unverwandt anstarrten. Gail beobachtete sie interessiert und wartete auf das Zucken der Lider, das jedoch ausblieb. »Ich meine folgendes«, sagte Helen, »niemand setzt sich je für den Tod ein – alle sind dagegen. Was wir brauchen, ist ein Komitee oder so, eine Bewegung – vielleicht sollten wir Autoaufkleber und Anstecknadeln verteilen. ›Den Tod an die Macht!‹ Wie klingt das?«
    »Schrecklich«, sagte Gail. »Wirklich schrecklich, Helen. Entschuldige – wo ist das Badezimmer?«
    »Hier hinten irgendwo.«
    Gail erhob sich unsicher. Sie brauchte aber nicht lange zu suchen. Helens Wohnung bestand aus einem schmalen Flur, der durch eine riesige Kommode verkleinert wurde, auf der ein vergoldeter Buddha thronte. Das Zimmer, in dem sie saßen, war eine winzige Höhle zum Wohnen, Essen und – wenn der Rolladen eine Küche verdeckte – auch zum Kochen. Es gab eine Tür, und Gail vermutete, daß sie zum Schlafzimmer und Bad führte. Sie hatte einige Mühe, die Strecke bis dorthin zurückzulegen, und die Aufgabe wurde ihr auch nicht gerade leichter gemacht, als Helen warnend sagte: »Paß auf, mein Schatz, die Badezimmerlampe ist kaputt.«
    Aber sie fand das Badezimmer, ein hängender Garten aus Röhren, suchte nach dem Schalter, knipste ihn an, und das Licht brach über sie herein, explodierte ringsum, füllte Augen und Ohren und Mund mit seiner Helligkeit und blendete sie – doch vorher sah sie noch das Gesicht ihrer Mutter im Spiegel, eine wahre Reflexion des Todes. Dann: Dunkelheit zum Schreien.
    »Ach Schatz, mein Schatz«, girrte Helen und wiegte sie in den Armen. »Reg dich nicht auf, reg dich nicht auf! Das war doch nur die Birne, die verdammte Glühbirne ist geplatzt, das war alles. Es ist alles in Ordnung, Gail, ehrlich …«
    »O Gott, ich hatte ja solche Angst!« sagte sie. »Es war ein Blitzstrahl, heller als zehn Blitze auf einmal, und dann sah ich – etwas…«
    »Du hast überhaupt nichts gesehen, du hast gar nichts sehen können«, sagte Helen. »Nicht nach dem Blitz. Als du aus dem Badezimmer kamst, warst du wie ein neugeborenes Kätzchen. Du hättest deine Augen sehen sollen, mein Schatz …«
    »Ich komme mir so blöd vor.« Gail blickte Helen schuldbewußt an, deren Augen ebenfalls verschwommen waren, und sie erinnerte sich an das »gute Gras«. Dann lachte sie, ein zittriges Geräusch, das gar nicht von ihr zu kommen schien. Was hatte Steve über Mädchen gesagt, die komisch lachten, schnarchten und niesten? Nein, von Schnarchen hatte er nicht gesprochen. Das kam erst später, dachte Gail und wünschte, sie könnte das Lachen unterdrücken, das ihren Körper schüttelte. »Mir reicht‘s«, sagte sie zu Helen. »Ich bin einfach keine Potraucherin! Das Gesundheitsamt hat festgestellt, Potrauchen kann für meine Gesundheit schädlich sein, das müßte auf jeder Packung stehen.«
    »Bist du sicher, daß es dir wieder gut geht – ganz sicher?«
    »Ja«, sagte Gail. »Und weißt du, was mit mir los ist? Ich bin nur hungrig; ich sterbe fast vor Hunger. Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.«
    »So ist es immer.« Helen kicherte. »Wenn du Gras rauchst, bekommst du schrecklichen Appetit. Man kann sich förmlich dick rauchen. Das ist die größte Gefahr, liebes Gesundheitsamt. Hör mal, ich habe keinen Bissen zu essen im Haus …«
    »Nichts Szechuanisches?« fragte Gail. »Überhaupt nichts Szechuanisches?« Sie löste sich aus Helens Armen und ging zum Telefon. »Schon gut. Ich habe da einen Freund. Oder hatte ihn mal.«
    Irgendwie brachte sie es fertig, Steves Nummer zu wählen.
    »Weißt du was?« fragte er. »Du hörst dich high an.«
    »Das muß ich ja auch sein, wenn ich dich anrufe«, erwiderte Gail würdevoll. Dann fiel ihr das Gesicht ihrer Mutter im Badezimmerspiegel ein, und ihre Stimme begann wieder zu zittern. »Ich muß dich sprechen«, sagte sie leise. »Ich habe einen Angstanfall oder so etwas. Ich wollte Dr. Vanner anrufen, aber der weiß doch nichts von dem szechuanischen Restaurant…«
    Steve sagte streng: »Bleib, wo du bist, und ich hole dich ab. Und kein Alkohol mehr, oder was immer du genommen hast.«
    »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?« fragte

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