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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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die Psychiater herausgeben. Darin stehen all die schicken Titel und Berufsbezeichnungen. Dein Freund Vanner war nicht dabei.«
    Der nicht aufgeführte Dr. Vanner sagte: »Gail, es wird wohl Zeit, daß ich Ihnen über Ihr Problem die Wahrheit sage.«
    Ihr Kopf bewegte sich kaum auf dem Kissen. Doch die Pupillen ihrer Augen zuckten in seine Richtung und zeigten das blutunterlaufene Weiße an den Winkeln.
    »Ich will Ihnen sagen, was meiner Meinung nach damals wirklich geschehen ist, in der Nacht, als man Ihre Mutter abholte. Ich will nicht behaupten, daß ich die Ereignisse wiederholen oder Ihnen genau sagen kann, welche Gestalt Ihr Traum annahm, als… als sich die Tür öffnete.«
    Jetzt glitten ihre Augen herum und blickten zur Tür. Sie fragte: »Könnte ich etwas Wasser haben?«
    Vanner schenkte ihr ein Glas ein. »Aber wenn ich das Ding für Sie schon nicht definieren und vielleicht für immer aus Ihrem Unterbewußtsein löschen kann, so kann ich Ihnen doch sagen, warum das alles geschah. Und vielleicht, vielleicht hilft Ihnen das Verständnis des Vorgangs dabei, die Kreatur Ihrer Phantasie wiederzusehen. Sehen Sie die Erscheinung, erkennen Sie sie, verlieren Sie die Angst davor – die Angst, die Sie immer noch quält! Verstehen Sie, was ich sage?«
    Ihr Kopf bewegte sich; Vanner faßte dies als Nicken auf.
    »Was in jener Nacht geschah, hat nicht damals begonnen, Gail. Das ist das erste, was Sie sich klarmachen müssen. Es war der Höhepunkt einer neurotischen Störung. Ja, ich weiß, sechs Jahre ist arg jung für eine Neurose, aber ich muß leider sagen, daß sie wohl bereits in der Entwicklung begriffen war. Die Kindheit kennt nämlich einen ganz natürlichen Konflikt, den ödipusKomplex – ich bin sicher, Sie haben schon davon gehört.«
    »Wie spät ist es?« fragte Gail.
    Er bemühte sich, seinen Ärger zu unterdrücken. »Lassen wir die Uhrzeit«, sagte er. »Es ist spät. Sie wollen wahrscheinlich schlafen. Aber Sie können sicher besser schlafen, wenn Sie mir zuhören. Gail, alle Kinder stehen vor diesem Konflikt, und ihre Entwicklung hängt davon ab, ob sie einen gesunden Ausweg finden oder nicht. Sie haben diesen Ausweg nicht gefunden. Begreifen Sie, was ich sage? Sie haben keine gesunde Lösung gefunden. Das war nicht Ihr Fehler. Es lag an den Umständen – an der schlechten Gesundheit Ihrer Mutter und der Abwesenheit Ihres Vaters. Sie liebten Ihre Eltern, Gail, aber wie alle kleinen Mädchen liebten Sie Ihre Mutter am meisten. Eine sehr intensive Sache, diese Art von Liebe. Manchmal bringt sie Enttäuschungen. Große Enttäuschungen. Und je größer diese Enttäuschung ist, desto mehr wendet sich das Kind gegen die Mutter. Sie verliert das, was wir die Kathexis nennen. In Ihrem Falle war die Kathexis durch die Krankheit Ihrer Mutter ernsthaft geschwächt. Denn je kränker sie wurde, desto mehr ignorierte sie Sie. Stimmt das?«
    Jetzt war Gails Nicken deutlich erkennbar. »Ja«, sagte sie. »Das stimmt. Sie wußte damals nicht mehr, daß es mich überhaupt gab.«
    »Und daraufhin wandten Sie sich Ihrem Vater zu und suchten bei ihm die Liebe, die Sie brauchten. Sie begannen ihn lieber zu haben. Ihre Vorliebe wurde so stark, daß Sie bald Ihre Mutter ablehnten, weil sie zwischen Ihnen und Ihrem Vater stand. Sie waren auf Ihre Mutter eifersüchtig, Gail; im zarten Alter von sechs Jahren waren Sie die Rivalin im Rennen um die Liebe Ihres Vaters. Ein Kind neigt dazu, in einfachen und direkten Begriffen zu denken; es versteht nur einfache, direkte Problemlösungen. Die einfachste Lösung dieses Dreiecks wäre für Sie der Tod Ihrer Mutter gewesen.«
    Hätte Gail nicht so sehr unter dem Einfluß von Betäubungsmitteln gestanden, wäre sie jetzt vielleicht schockiert oder abwehrend aufgefahren. Doch so mußte ein Blick genügen.
    »Ich weiß, daß sich das drastisch anhört. In den meisten Fällen gleicht die weitere Entwicklung den Konflikt mühelos aus. Aber Sie hatten gar keine Chance in dieser Richtung. Denn als der Konflikt noch voll im Gange war, traten zwei Ereignisse ein. Der Vater, den Sie liebten, wurde Ihnen genommen. Er zog in den Krieg und fiel; doch der Begriff ›Krieg‹ ging über Ihren Horizont. Sie waren vielmehr der Ansicht, Ihre Mutter habe den Vater vertrieben, habe ihn aus Ihrem Leben verscheucht, damit Sie ihn ihr nicht abgewinnen konnten. Sie verabscheuten Ihre Mutter dafür nur noch um so mehr. Und als die Nachricht kam, daß er gefallen war, mischte sich ein Gefühl des

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