Hinter Geschlossenen Lidern
es ihn auch nie gegeben.
So wie ich ihn sah, war er nicht. Das einzige, was bei der
ganzen Geschichte echt gewesen war, waren meine Gefühle für ihn und die waren nach so langer Zeit ja wohl verjährt.
Während wir aßen, bediente der Koch die anderen Gäste, doch kaum hatten wir unsere Stäbchen niedergelegt,
wandte er sich uns wieder zu und zerteilte mit kaum zu
verfolgender Schnelligkeit ein paar Fleischstücke auf der
Kochplatte. Die Messer mussten außerordentlich scharf
sein und die Kochstelle war so heiß, dass alles nur Sekunden brauchte, um gar zu werden. Es schmeckte phantastisch. Das fein gemaserte Fleisch war so zart, dass es auf
der Zunge zu schmelzen schien und auf diese Weise ein
unfassbares Geschmackserlebnis entfaltete.
“Kobe-Rind”, sagte Braden und ich konnte mich erinnern, einmal einen Bericht darüber gesehen zu haben, dass
die Bauern diese Rinder besser behandelten als ihre Kinder. Sie bekamen nur das Beste zu fressen, wurden täglich
mit Bier handmassiert, bis ihr Fleisch so wohlschmeckend
und wertvoll war, dass man sich als Normalbürger höchstens ein kleines Stück davon gönnen konnte, wenn man
nicht in den nächsten Wochen aus Kostengründen ganz
aufs Essen verzichten wollte.
Das alles hier musste ein kleines Vermögen verschlingen. Für mich waren es Peanuts, doch wie stand es mit
Bradens Finanzen im Augenblick? Er protzte nicht damit,
aber seine Familie war noch wesentlich reicher als meine.
Oder wollte er nur, dass ich nicht auf den Gedanken kam,
er brauche Geld?
Mein Telefon vibrierte. ‘Clive’, dachte ich atemlos, klappte es auf und – war enttäuscht. Es war Jason.
“Hör mal.”, wimmelte ich ihn ab. “Ich stehe im Moment ziemlich unter Druck, gerade bin ich mit einem Mandanten beim Essen. Ich ruf dich an, wenn ich wieder eine Minute Luft habe, ja?”
“Nur scheinst du mit deinem Telefon auf Kriegsfuß zu stehen, deine Rückrufe kommen nie bei mir an. Aber ich habe verstanden und werde dich nicht mehr belästigen.”
“So habe ich es nicht gemeint ...”, rief ich, doch da hatte er schon aufgelegt.
Als ich aufsah, starrten alle zu uns herüber, als hätte ich ein Sakrileg begangen.
“Ich erwarte einen wichtigen Anruf.”, murmelte ich entschuldigend.
Braden lächelte. “Du hast also viel zu tun? Da muss ich mich ja fast geehrt fühlen, dass du mit mir ausgehst.”
“Ich gehe nicht mit dir aus. Ich versuche nur zu erfahren, was damals passiert ist.”
“Das erzähle ich dir, wenn du noch auf einen Kaffee mit zu mir kommst.”
“Träum weiter, Braden.”
“Wo arbeitest du eigentlich, immer noch bei deinem Vater?”
“Eigentlich arbeite ich mit Clive zusammen als Controller, aber zurzeit habe ich auch wieder einen Mandanten.” Warum antwortete ich dem Arsch eigentlich?
“Da bist du ja wirklich doppelt eingespannt. Und, ist der Fall interessant?”
Er war zwei Jahre älter als ich und schon im dritten Semester gewesen, als ich gerade als Frischling anfing. Mit Jura kannte er sich ein wenig aus und ich war so stolz darauf, dass Vater mich für diesen Fall ausgewählt hatte, dass
ich nicht anders konnte, als ihm auf den Leim zu gehen.
Der Alkohol löste mir die Zunge, aber ich war auch schon
immer ein Spätzünder gewesen. Vielleicht hatte mich die
Tragödie mit Adam damals mehr aus der Bahn geworfen,
als ich wahrhaben wollte. Jedenfalls war ich mit achtundzwanzig in manchen Dingen noch ziemlich unreif, vor
allem wenn es um Respekt ging und um meinen Vater. Ich
war so stolz auf meine Arbeit an dem Fall, dass ich nicht
anders konnte, als vor Braden ein wenig damit anzugeben. “Firmenerbrecht. Ist ganz interessant.”
“Dann habt ihr schon Punkte, wo ihr einhaken könnt?” Ich beugte mich zu ihm hinüber. “Sags nicht weiter,
aber wir glauben, das Testament ist gefälscht. Wir lassen es
gerade prüfen.”, flüsterte ich.
“Nein! Das ist ja ein starkes Stück.”, sagte er ungläubig
und ich kam nicht auf die Idee, dass seine Überraschung
gespielt sein könnte. Stattdessen nickte ich überlegen lächelnd. Seine Aufmerksamkeit tat mir gut.
“Das kommt häufiger vor, als man denkt. In diesem Fall
hat der Verstorbene es seiner Frau aber auch ziemlich
leicht gemacht.”
“Ihr verdächtigt also seine Frau?”
Bevor ich noch mehr verraten konnte, meldete sich
schließlich doch noch mein Verantwortungsbewusstsein. “Ich darf nicht darüber sprechen.”, sagte ich und richtete mich auf. “Sag mir lieber, warum du damals alles hingeschmissen hast.”
“Das scheint
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