Hinter Geschlossenen Lidern
“Um elf.”, sagte er und legte auf.
Besonders wortreich war er ja nicht.
Hartmann hatte bereits angefangen, als ich als letzter durch die Tür schlüpfte. Zu essen bekam ich nichts mehr, das Buffet war schon abgeräumt. Zu meiner Erleichterung gebärdete sich Hartmann diesmal einigermaßen zivilisiert. Er brüllte kaum. Sein Gesicht war rot vor verhaltener Wut, aber er erkannte die schwierigen Bedingungen an. Die Norweger waren solche Schlammschlachten bei Eiseskälte vielleicht gewöhnt, wir nicht. Trotzdem war ich einer der wenigen, der ohne Standpauke wegkam. Wenigstens hatte ich den Anschlusstreffer erzielt. Erfolg macht eben unantastbar, zumindest soweit das Extrem-Kurzzeitgedächtnis in unserer Branche reichte. Die anderen holten sich mehr oder weniger gelassen ihre Kopfnüsse ab. Schließlich war es ja nicht das erste Gewitter, das Hartmann über uns niederfahren ließ. Doch ich war davon überzeugt, dass der eine oder andere seinen Frust später heimlich an der Minibar auslassen würde.
Dann kam der Ausblick auf das nächste Pokalspiel gegen die Iren. Bis dahin musste ich wieder funktionieren. Irgendwie hatte ich die Nase im Augenblick gestrichen voll von diesem Job.
Ich nickte Hartmann zu, dann verdrückte ich mich, während die anderen noch heftig diskutierten.
Zwei
Wenig später war ich wieder unten. Im Abendanzug, den Hut tief ins Gesicht gezogen, schlich ich mich an den Toiletten vorbei durch den Hinterausgang direkt ins Taxi.
Die Kneipe am Hafen war eher eine Säufer-Spelunke als das, was ich mir unter einer illegalen Spielhölle vorstellte. Durch eine unscheinbare grüne Tür mit gelbem Glaseinsatz betrat ich einen ziemlich verqualmten Gastraum. Viel Holz, grünes Lederimitat und bleiverglaste Deckenlampen schufen ein Ambiente spießbürgerlicher Schäbigkeit. Das trübe Licht verbreitete eine ziemlich trostlose Stimmung. Hier saßen alte Männer allein über ihren Schnapsgläsern, die Hände gelb von der endlosen Reihe an Zigaretten, die im Laufe der Jahre den Weg vom Päckchen zum Aschenbecher durch ihre Finger genommen hatten.
Ich fühlte mich reichlich deplatziert, dachte schon, ich hätte mich in der Adresse geirrt, da sah ich Ragnarson am Tresen lehnen, ein halbleeres Bierglas in der Hand. Beinahe hätte ich ihn so elegant im Armani-Anzug nicht erkannt, obwohl er eigentlich nicht zu übersehen war. Seine dunkelblonde Mähne hatte er mit Gel nach hinten gekämmt und das einzig Wilde an ihm war der Schatten seines Drei-Tage-Bartes, der die Kraft seiner Kiefer betonte.
Wir nickten uns zu.
“Hätte nicht gedacht, dass du wirklich hier auftauchst.”, meinte er beiläufig, als er sein Bier austrank und das Glas mit entschlossener Hand auf den Tresen zurückstellte.
“Glaubst du, ich kneife?”
Einen Augenblick sah er mich durchdringend an.
“Bist ein Siegertyp, was? Heute Nacht gewinnst du nicht.”
“Werden ja sehen.”, sagte ich leichthin. “Gehen wir?”
“Ja, lass uns anfangen. Ich kann es kaum erwarten, dich fertig zu machen.” Er grinste spöttisch und senkte die Lider.
War sein Blick da gerade für einen Moment an meinen Lippen hängen geblieben? Ich spürte es wie eine Berührung und zuckte zusammen. Der Kerl verwirrte mich. Es ging etwas von ihm aus, das ich nicht recht fassen konnte.
Wir waren zunächst zu fünft in dem kleinen Hinterzimmer. Die anderen, zwei Geschäftsleute aus Kopenhagen und ein untersetzter älterer Asiate mit undurchdringlichen Gesichtszügen warteten schon auf uns.
Die ersten Runden folgten Schlag auf Schlag und schnell gewann ich einen Eindruck von den Fähigkeiten meiner Mitspieler.
Hosegood, ein großer Mann mit rötlich schütterem Haar, verlor fast jede Runde. Er setzte hastig große Summen und verließ uns schon nach einer halben Stunde. Sein Freund lächelte wissend, als er sich verabschiedete. Klar, da fiel mir ebenfalls so einiges ein, was man Angenehmeres mit der Nacht anstellen konnte, als hier mit uns in dem kleinen Raum um die wenigen Sauerstoffmoleküle zu ringen. Sein Kollege hielt länger durch, aber nach einer weiteren Stunde kam auch für ihn das Aus.
Was ich nicht erwartet hatte, die Scheine stapelten sich bei mir. Doch Dags wenig besorgte Miene ließ mich auf der Hut sein. Der Asiate, Chinese, wenn ich mich nicht irrte, hatte sich als ‘Jason Lee’ vorgestellt. Ich schätzte ihn auf etwa sechzig, obwohl sein schwarz glänzendes Haar noch kaum von Weiß durchzogen war. Er saß da mit halb geschlossenen Augen und beobachtete Dag und
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