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Hinter Geschlossenen Lidern

Hinter Geschlossenen Lidern

Titel: Hinter Geschlossenen Lidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters , Carolin Wagner
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am Ende.
    Doch dann ging es irgendwann langsam wieder bergauf. Der Alltag gewann nach und nach die Oberhand über meine Sehnsucht und ich dachte tagsüber immer seltener an Dag. Nach wie vor riefen wir uns abends an, sprachen lange miteinander, aber auch in unseren Gesprächen kehrte so etwas wie Normalität ein. Und obwohl ich mit unserer Situation alles andere als glücklich war, war es Dag, der immer schweigsamer wurde.
    Ich hatte das Gefühl, da war etwas, was er mir nicht sagen konnte. Ich sprach ihn darauf an, aber er wich mir jedes Mal aus und wir telefonierten von da an immer seltener miteinander. Das mit uns würde nie funktionieren, es war sinnlos, sich Illusionen zu machen.
    Schließlich hörte ich über ein halbes Jahr lang nichts mehr von ihm. Nur in meinen Träumen wälzten wir uns noch in seinem Bett. Ich hatte mich mit Kim versöhnt und schlief sogar wieder mit ihr, auch wenn mich der Sex mit ihr nie richtig befriedigte. Eine ihrer Bedingungen für ihre Rückkehr war ein Termin für unsere Hochzeit und auch darin willigte ich ein. Wir würden an Heilig Abend heiraten, dem Hochzeitstag meiner Eltern.
    Kim war nicht die Frau, die vor Freude über ihre Hochzeitspläne außer sich geriet. Ihre Eltern stammten aus Schweden und sie war ganz die kühle Blondine, die alle Klischees einer nordischen Schönheit erfüllte. Bis Weihnachten waren es noch fast drei Monate, dennoch saß sie abends jetzt häufig mit einem Heft für Brautausstattung mir gegenüber im Wohnzimmer, die langen seidenbestrumpften Beine lasziv übereinandergeschlagen, während ich antriebslos in den Fernseher glotzte und mir auch den tausendsten sinnlosen Thriller noch reinzog, anstatt auszugehen. Eine merkwürdige Gleichgültigkeit hatte sich meiner bemächtigt, deren ich mir damals jedoch kaum bewusst war.
    Wir beauftragten einen bekannten Wedding-planer für unsere Hochzeit und genau den erwartete ich, als ich eines Tages die Haustür öffnete und stattdessen meine Schwester davor stand, zwei Koffer in der Hand und ein Grinsen im Gesicht. Der Anblick ihrer blitzenden schwarzen Augen war der erste Lichtblick seit Wochen.
Ich schlang die Arme um sie und zog sie an mich.
    “Sag nichts. Du hast Pietro verlassen und ziehst zu mir.”
Lauras Lächeln wurde vielsagend. “Fast”, sagte sie, machte sich von mir los und schlenkerte mir ihre Koffer gegens Schienbein, als sie sich an mir vorbei in die Wohnung drängte.
“Komm ruhig rein und fühle dich wie zuhause.”, sagte ich und rettete mich durch einen schnellen Hüpfer aus der Gefahrenzone, bei dem ich beinahe das Gleichgewicht verlor.
“Wir halten Eure Zimmer immer für Euch bereit, Contessa dei Fiori.”, zog ich sie auf und verbeugte mich galant mit imaginärem Hut in der Linken und weit ausgebreiteter Rechten – ganz nach den Regeln der Hofetikette.
“Ich wollte dich einfach mal besuchen, Brüderchen. Pietro ist auf Geschäftsreise. Ich hab mir ein paar Tage frei genommen und da bin ich.”
Sie ließ die Koffer fallen und warf sich in meine Arme. Ihre Wärme tat mir gut. Ich umarmte sie fest. Sie gab mir einen langen Kuss. Mit einemmal fühlte ich mich wieder mit ihr allein, aufeinander angewiesen wie früher, als wir nach dem Tod unserer Mutter nur noch uns beide hatten. Vater hatte mit Kindern noch nie viel anfangen können, kam gar nicht auf die Idee, dass wir seinen Trost brauchten. Inzwischen verstehe ich mich gut mit ihm, aber damals fühlten Laura und ich uns von ihm im Stich gelassen.
Als wir uns voneinander lösten, hielt ich sie ein Stück von mir weg, um sie in Ruhe zu betrachten. Sie hatte sich nicht verändert, seit wir uns vor etwa eineinhalb Jahren zuletzt gesehen hatten. Ihr Gesicht war das einer Madonna, zeitlos schön, allerdings mit etwas zu ausgeprägten dunklen Augenbrauen, die ihre Willensstärke unterstrichen. Alles andere war wie von Botticelli. Ihr langes glänzendes Haar, das dunkelbraun war und nicht schwarz wie meines, umrahmte ein perfektes Oval. Selbst die Kinnpartie gliederte sich nahtlos darin ein. Große, fast wimpernlose Augen strahlten unter einer sanft gewölbten Stirn: Ruhe und Zuversicht – und Sinnlichkeit.
Ihr kleiner Mund mit den üppigen Lippen forderte geradezu zum Küssen heraus. Ganz die selbstbewusste Römerin, wusste sie das. Während sie ihre klaren Augen fast ungeschminkt ließ, was ihre madonnenhafte Sinnlichkeit unterstrich, betonte sie ihre Lippen mit einem herausfordernden Rot, das jetzt nach ihrem Kuss höchstwahrscheinlich auch

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