Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
der Familie oder in der Gemeinschaft sind Boten aus der Traumwelt der ganzen Gruppe.
Gabriele M. war im Verlaufe des Gespräches nachdenklich geworden.
Diese Übung mit dem Störer, die wie ein kleines Ratespiel angegangen werden kann, ist immer wieder verblüffend. In einem anderen Vortrag meldete sich eine junge Frau, die gerade voller Begeisterung eine Ausbildung zur Mediatorin machte und sich über das Verhalten einer Kursteilnehmerin beklagte, die andauernd kritisch mit allen Kursinhalten war. Keiner wollte mehr mit ihr zusammenarbeiten. Wir fanden Folgendes heraus: Die Identität der Gruppe drückte sich aus in dem Satz: »Die Ausbildung ist toll und sinnvoll, wir alle tun gemeinsam etwas, damit Menschen sich besser verstehen.« Die Gruppe hatte eine Grenze, kritisch zu sein und sich auch mal nicht zu verstehen. Die angehende Mediatorin konnte nach der kleinen Übung erkennen, dass sie selbst wie auch die Gruppe lernen sollte, einen guten Umgang mit Kritik und Unstimmigkeiten zu finden. Die Gruppe bekommt mit der Kritikerin in der Ausbildungsrunde ein bedeutsames Lernthema geliefert. Die angehenden Mediatoren müssen lernen, mit Streit und Andersartigkeit umzugehen. Die Störerin ist eine Verbündete im gemeinsamen Lernprozess.
Was das Verhalten der Kritikerin seltsam macht, könnten die unbewussten und unbeabsichtigten aggressiven Doppelsignale sein, die sie aussendet. Auch sie hat wahrscheinlich eine Grenze und noch keine Erlaubnis, kritisch zu sein, ohne gleich zur Gegnerin zu werden. Nach der kurzen erkenntnisreichen Unterhaltung konnte die junge Mediatorin einen neuen Blick auf die kritische Kursteilnehmerin werfen und den Traum der ganzen Gruppe in der Essenz ihres Verhaltens erkennen.
Es kann im Alltag sehr hilfreich sein, die Menschen, die stören oder sich befremdlich benehmen, in einer inneren Arbeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Störer konfrontieren uns mit der Grenze, die wir haben, Forderungen zu stellen, unsere Stärke und Power zu zeigen, Nein oder Ja zu sagen. Auf der »Traumebene«
brauchen sich Konfliktpartner gegenseitig, um über ihre Grenzen und damit einen Schritt in ihrem Leben weiter zu gehen.
Fallbeispiel
Ich kann mich an einen Urlaub erinnern, in dem ich mit einem Herrn (er war dummerweise mein Gastgeber) Bekanntschaft machen durfte, der mich zur Weißglut brachte. Er lobte sich permanent selbst, lehnte andere Meinungen laut und auf unverschämte Weise ab und machte mir sehr zu schaffen. Am Tag nach einer lauten Auseinandersetzung in einem Restaurant beschloss ich, in einer inneren Übung die Essenz von dem zu finden, was dieser Mann so unbewusst und störend tat. Wo war die Verbindung zu mir und meinen eigenen Grenzen? Was war gut daran, so überzeugt von sich selbst zu sein und es in die Welt zu posaunen, ohne dabei Rücksicht auf die Meinung der anderen zu nehmen? Ich fand es schnell heraus und hatte ab dem Moment der eigenen Erkenntnis auch kein Problem mehr mit diesem Menschen, was ihn dann in der Folge auch gleich ein bisschen friedlicher machte. Die Essenz für mich war: »Es ist gut, auf das, was mir wichtig ist, auf meine Ideen und Vorhaben aufmerksam zu machen. Auch von kritischen Stimmen lasse ich mich nicht davon abhalten.« Tatsächlich ist es so, dass ich mir häufig viel zu viele Gedanken darum mache, was die anderen denken, ob sie zustimmen werden oder nicht und dann halte ich mich lieber mit meinen Ansichten oder vielleicht sogar mit einem Vorschlag zurück, weil ich keine Ablehnung bekommen möchte.
Interessant ist es, dass der Störer und die Gestörten in der Regel die gleiche Grenze haben. Der Störer, der jede Gegenstimme vernichtend schlagen muss, um eine Meinung durchzusetzen, hat möglicherweise genauso viel Angst vor kritischen Stimmen wie die Person, die
sich lieber zurückhält. Beide träumen davon, dass ihre besonderen Gedanken, Ideen und Vorhaben gehört werden und sie dennoch die Wertschätzung der anderen nicht verlieren.
Auf diese Weise können wir den Schatten, über den wir bei den anderen stolpern, anschauen und etwas über uns selbst und unsere Grenzen erfahren. Vielleicht ist es Neid (z.B. »Ich habe viele Wünsche und glaube nicht, dass sie sich erfüllen«), Geiz (etwa »Ich freue mich über meinen Reichtum und gebe meine Schätze nicht leichtfertig weg«) oder Angeberei (möglicherweise »Ich zeige meine Power und Stärke«), was uns ärgert. Bemerkenswert ist, dass uns das Verhalten in der Regel nicht mehr so stört, wenn wir
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