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Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will

Titel: Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Theresa Koch
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die Sie in die Nähe Ihrer politischen Gegner rücken lässt. Dieses Phänomen des Rollenoder Positionswechsels ist in Gruppen völlig normal. Es passiert ohne bewusstes Zutun und kann sehr überraschend sein. Rollen entstehen durch Polarisierung und streben immer einen Ausgleich an.
    Wenn eine Gruppe z.B. sehr einseitig auf Ordnung bedacht ist, was ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität und historisch bedingt sein kann, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Menschen aus dem inneren Kreis oder von außen zu Ruhe- und Ordnungsstörern werden. Es muss einen unbewussten Traum der Gruppe geben, weniger ordentlich zu sein und lebendiger zu werden, was dann die polarisierenden Rollen entstehen lässt. Die Gruppe wird, weil sie ihre bestehende Identität noch nicht aufgeben kann, ihrerseits eine Tendenz
haben, die Störer zu ermahnen oder zu eliminieren. Dies wird die Störer noch unverschämter und störender werden lassen. Beide, die Störer und die gestörte Gruppe, werden denken, dass sie auf keinen Fall so sein wollen wie die anderen, und merken dabei nicht, wie sehr sie verbunden sind. Es gibt einen gemeinsamen sekundären oder unbewussten Prozess im Hintergrund, der das Rollentheater im Vordergrund mitbestimmt. Es muss auch in der Gruppe der Ordnungsliebhaber Menschen geben, die sich mehr Freiheit und Flexibilität wünschen, aber noch eine Grenze haben, dafür geradezustehen. Die Kraft des Störers kommt aus dem Feld und wird gespeist aus den Träumen und Veränderungswünschen der ganzen Gruppe.
    Die Kraft kritischer Rollen wird gespeist aus den Träumen und Veränderungswünschen der ganzen Gruppe.
    Wenn wir von der Doppelmoral einer Gesellschaft oder einer Gruppe sprechen, haben wir es oft mit solchen Feldphänomenen und unbewussten Prozessen zu tun. Wir sprechen beispielsweise von der Doppelmoral der Männer, die auf der einen Seite für Ruhe und Ordnung sorgen und sich für ein christliches Familienleben stark machen, dabei die Treue ihrer Ehefrauen einfordern, und auf der anderen Seite im Rotlichtmilieu ihre besondere Rolle spielen. Zur vordergründigen Identität dieser Herrschaften gehört es, ein ordentliches und ruhiges Leben zu führen, das rote Licht gehört zum Traumreich und dazwischen liegt eine unüberbrückbare Grenze. Um diese zu überwinden, braucht es die Rolle des Anklägers oder die Kämpferin gegen die »herrschende Doppelmoral«. Diese Rolle ist
interessant: Die Anklägerin zerrt die Spaltung ans Licht und fordert, dass sich die Ordnung mit einer neuen sexuellen Freiheit verbindet und dies nicht nur für die Männer. Die Anklägerin oder der Aktivist tauchen auf, wenn ein wichtiger neuer Schritt in der Gesellschaft ansteht, es aber noch eine Grenze dagegen gibt. Hinter solchen Rollen stehen mächtige Veränderungswünsche der ganzen Gesellschaft. Es ist gut, sie zu hören und ernst zu nehmen, bevor sie gewalttätig werden.
    N ehmen wir das Feld ernst, das seine Rollen präsentiert und hervorruft, dann ist es naheliegend anzunehmen, dass wir alle Rollen brauchen, die in einem Feld und zu einem bestimmten Thema in einer Gruppe erscheinen. Alle Rollen tragen einen Teil des inneren und äußeren Prozesses des Feldes. Wenn wir verstehen wollen, was passiert, müssen wir alle Rollen zunächst einmal tolerieren, auch wenn sie uns nicht gefallen oder Menschen in diesen Rollen Dinge tun, für die unsere Gesellschaft sie bestrafen muss.
    »Dazu gehört nach meiner Erfahrung vor allem eine bestimmte Einstellung«, schreibt Arnold Mindell, »die Haltung der Tiefen Demokratie, welche unerschütterlich an die Wichtigkeit aller Teile eines Ganzen glaubt, an die Bedeutung aller unserer Persönlichkeitsanteile und aller verschiedenen Sichtweisen in der Welt um uns herum.«
    Die Frage ist dann nicht mehr, welch ein Idiot oder Wahnsinniger tut dies oder das, sondern: Zu welch einem Zeitpunkt und in welcher Kultur, in welch einer Gruppe, einem Team, einer Familie macht ein Mensch
dieses oder jenes? Was für eine Rolle spielt dieser Mensch bezogen auf das Ganze? Was ist sein verborgener Traum im Hintergrund, den er wahrscheinlich selbst noch nicht kennt? Träumen wir mit ihm? Wie könnten wir alle uns verändern und ihn unterstützen, ein neues oder anderes erfolgreicheres oder gewaltfreieres Verhalten zu zeigen?
    In Familien übernehmen Kinder häufig Rollen, die im System nicht repräsentiert sind. Sie kümmern sich dann um die Eltern, die mit sich selbst nicht klar kommen, oder sie werden zu Störern, die

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