Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
verbündet. Die junge Frau war sehr bemüht, es ihnen recht zu machen, sie wünschte sich eine bessere Zusammenarbeit mit ihren Kollegen, kam ihnen wahrscheinlich deswegen zu nah und verstand nicht, was diese gegen sie vorzubringen hatten.
Ich fragte nach der ersten Begegnung: Was war passiert? Hatte es Irritationen in ihrem ersten Kontakt gegeben? Wie wurden sie einander bekannt gemacht? Häufig stecken ja in den ersten Minuten schon bedeutsame Informationen über das weitere Geschehen. Ein Mitarbeiter erinnerte sich, wie er vom Leiter der Einrichtung quasi überredet wurde, seinen Computer für sie frei zu machen, damit sie sofort mit ihrer »wichtigen Arbeit« beginnen konnte. Als sei seine Arbeit weniger wichtig. Er habe sich nicht dagegen wehren können und sei sich wie ein kleiner übergangener Junge vorgekommen.
Das war interessant und so sprachen wir über die langjährige Beziehung der Mitarbeiter zu ihrem Chef. Dabei kam heraus, dass sie schon als Jugendliche ehrenamtlich dort angefangen hatten zu arbeiten und der Leiter wie ein Vater oder Lehrer für sie gewesen war. Ich folgte einer Eingebung und bat die Kollegin, sich für eine Weile weiter weg zu setzen. Nun schien es gar nicht mehr um den Streit mit der Kollegin zu gehen.
Die Männer bemerkten, wie wichtig es für sie war, aus einer alten und nicht mehr passenden Rolle, der Rolle des Schülers, auszusteigen. Von der neuen Kollegin konnten sie mehr Respekt einfordern, ohne länger auf sie böse zu sein. Die junge Kollegin war die Störerin gewesen, die Verbündete ihrer Kollegen, die mit ihrer Rolle darauf aufmerksam machte, dass sich etwas Neues entwickeln muss und die alte Schülerrolle nicht mehr passte.
Wenige Wochen später kam der Leiter der Einrichtung zu einem Coaching, um die gemeinsame Konfliktarbeit zu vervollständigen. Er berichtete, wie gut es den Mitarbeitern nach der Konfliktberatung miteinander gehe. Auch für ihn war es hilfreich und interessant, die eigene und die Rollen seiner Mitarbeiter im Hintergrund des Konflikts und weitere verborgene Entwicklungswünsche in seiner Abteilung zu entdecken.
Wenn Menschen die Rollen im Hintergrund eines Geschehens sehen können und damit die eigenen wie die fremden Verhaltensweisen begreifen, ist es leichter, eine neue Haltung einzunehmen. Das Verhalten der anderen muss dann nicht mehr so persönlich genommen werden. Schon alleine das Sprechen darüber lässt Menschen ruhiger werden und aus der Gegnerschaft heraustreten.
Wenn wir die Rollen im Hintergrund eines Geschehens sehen und verstehen, können wir eine neue Haltung einnehmen, die alles verändert.
Fallbeispiel
Ich erinnere mich an die Mitarbeiterin einer wissenschaftlichen Abteilung, die mit ihrem Chef haderte, weil er ihre sicherlich guten Ideen für eine weniger schulmedizinisch ausgerichtete Arbeitsweise nicht annehmen konnte und wollte. In der Systemaufstellung wurde schnell deutlich, dass ihr Chef aus einer besonderen
Rolle nicht aussteigen konnte und das völlig unabhängig von seiner persönlichen Meinung zu ihren Vorschlägen. Er war zu diesem Zeitpunkt dabei, eine neue Abteilung innerhalb alter wissenschaftlicher Systeme aufzubauen und zu etablieren. Wäre er den Vorschlägen der Mitarbeiterin gefolgt, hätte er damit sehr wahrscheinlich den Erfolg der Abteilung im schulmedizinischen Kontext gefährdet. Mit dieser Erkenntnis konnte die junge Mitarbeiterin eine völlig neue Haltung einnehmen und musste sich auch nicht mehr schlecht fühlen, weil sie den Zuspruch und das Okay ihres Chefs für ihre besonderen Vorschläge und neuen Ideen nicht hatte. Nun war Raum an einem anderen hintergründigen Thema zu arbeiten: der mangelnden Anerkennung durch ihren Vater.
Dieser Systemebenenwechsel wird in einer beruflichen Beratung häufig vollzogen. Kommt es in beruflichen Zusammenhängen immer wieder zu Zwistigkeiten mit Vorgesetzten, gibt es oft einen Zusammenhang mit dem Herkunftssystem, der Familie. Eine alte Sehnsucht nach mehr Wertschätzung und Gesehenwerden von den Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen drückt sich gerne in Arbeitskonflikten aus. Dann geht es darum, sich alte Rollen im Familiensystem anzuschauen und zu verstehen, wie deren Wünsche noch heute um Verständnis und Beachtung ringen. Wird ein altes Missachtungsmuster aus der Kindheit verarbeitet und verstanden, ändern sich auch die Konstellationen im Arbeitssystem. In der Regel wird die eigene Kraft mehr gespürt und die Abhängigkeit von der Zustimmung der
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