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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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nicht darum, ihre Schuld oder Unschuld abzuwägen; es handelte sich nur um die Kranke, um ein menschliches Wesen, das seiner Hilfe und Pflege bedurfte. Er mußte bei ihr ausharren, mußte den schwachen Lebensfunken mit aller Liebe und Sorgfalt von neuem entfachen, bis die Enttäuschung kam, und er sein Elend auch vor den Augen der Welt nicht mehr zu verbergen brauchte.
    In der entferntesten Ecke des Krankenzimmers sitzend, verbrachte er die endlos langen Stunden. Er harrte und wartete mit angstvollem Herzen. Denn er wußte, daß eine Botschaft vom Polizeiamt nicht ausbleiben würde. Jetzt ward er hinabgerufen, ein Herr wünsche ihn zu sprechen. Es war Herr Gretorex, der sich nach der kranken Tochter erkundigen wollte. Kaum hatte sein Schwiegervater ihn mit bedenklicher Miene verlassen, da rauschten weibliche Gewänder durch den Vorsaal, duftende Blumenspenden wurden abgegeben, und teilnehmende Stimmen fragten nach Genofevas Befinden. Während ihr Gatte noch höflich Rede und Antwort gab, sah er plötzlich, als er den Kopf wandte, die Gestalt des Detektivs Gryce hinter sich stehen. Noch eine Verbeugung gegen die Damen, und er trat in den Vorsaal zurück.
    Haben Sie Molesworth gesprochen? stieß er mühsam hervor.
    Gryce blickte in seinen Hut, den er in der Hand hielt. Der Inspektor ist heute früh sehr beschäftigt, bemerkte er, ohne Kamerons Frage zu beachten. Könnten Sie wohl in sein Bureau kommen? Er wünscht, mit Ihnen zu sprechen.
    Ich stehe ganz zu seinen Diensten, erwiderte der Doktor; aber es war für ihn ein Gang wie zur Hinrichtung.
    Kameron hatte geglaubt, man werde ihn Molesworth gegenüberstellen; er fand jedoch den Inspektor allein.
    Sie haben merkwürdige Erlebnisse gehabt, seit wir unszuletzt sahen, bemerkte dieser. Also Molesworth hat Ihnen nichts anvertraut? Nun, mich nimmt das nicht wunder. Sie werden ihn eben nach Dingen gefragt haben, die er selbst nicht wußte. Ob Genofeva Gretorex ihrer Schwester das Gift gereicht hat, an welchem diese starb, konnte er Ihnen nicht sagen. Aber etwas anderes hätten Sie von ihm erfahren können.
    Und das wäre? Kamerons Stimme bebte, als er den seltsamen Ausdruck in des Inspektors Mienen gewahrte.
    Davon später, war die Antwort. Vor allem sollen Sie wissen, daß wir infolge Ihrer Mitteilungen bei unserer letzten Zusammenkunft zu der Ueberzeugung gelangt sind, daß Genofeva Gretorex an dem Todesfall, der in ihrem Zimmer stattfand, unschuldig ist; sie war nicht die Täterin, sondern das Opfer ; denn die Frau, welche Sie geheiratet haben –
    Er hielt inne und sah den Doktor an, welcher vor freudiger Erregung zitternd zu ihm aufschaute und rief:
    Nicht aus meiner Beweisführung haben Sie diesen Schluß gezogen. Sie haben Molesworth gesprochen, und er –
    Der Inspektor unterbrach ihn mit ernster Miene. Durch Molesworths Verhör ist nichts Neues zu unserer Kenntnis gekommen. Die Tatsachen, welche Sie selbst neulich anführten, Ihre eigenen Aussagen, haben Genofeva Gretorex' Unschuld bewiesen. Aber, fügte er mit einem Blick hinzu, der Kamerons Freude verstummen machte, sie haben uns zugleich die traurige Gewißheit gebracht, die ich Ihnen nicht länger verhehlen will, daß es Ihre Braut selbst war, die in jener verhängnisvollen Stunde starb, und nicht deren Stellvertreterin und Abbild. – Die Frau aber, die Sie geheiratet haben und die jetzt unter polizeilicher Aufsicht auf dem Krankenlager liegt, ist nicht die vornehme Dame, nicht die feingebildete Tochter des Herrn Gretorex, sondern die feurige, kluge und ehrgeizige Mildred Farley .

Siebenunddreißigstes Kapitel.
    Der Schlag, der schon längst über Kamerons Haupte schwebte, war mit zerschmetternder Gewalt niedergefallen. Aber der Doktor ermannte sich wieder.
    Das ist nur eine Vermutung Ihrerseits, sagte er mit unsicherer Stimme, wie wollen Sie die Tatsache beweisen?
    Wir haben bis jetzt freilich nur Indizienbeweise, aber sie, sprechen deutlich genug. Ich erwähne nur den Umstand, daß Ihre Frau während Ihrer Hochzeitsreise keine Feder in die Hand genommen hat.
    Der Doktor sah bestürzt aus; es ließ sich nicht leugnen, daß sie jeder Gelegenheit, ihre Handschrift zu zeigen, aufs sorgfältigste ausgewichen war.
    Sie litt an Rheumatismus, sagte er, deshalb –
    Sie hat jede Ausflucht benutzt, um die Entdeckung ihres beispiellosen Betruges zu verhindern. Der Unterschied zwischen der Handschrift der Dame, für welche sie sich ausgab, und der ihrigen hätte sie unfehlbar verraten. Den stärksten Beweis für meine

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