Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
Vom Netzwerk:
hindurch fortwährend Ihren Namen gerufen.Jetzt ist er so krank, daß er niemand erkennt. Wer hätte gedacht, daß er nur heimkehren würde, um zu sterben!
    In stummer Verzweiflung trat Kameron an das Bett des Kranken. Großer Gott! Konnte dies derselbe Mann sein, von dem er erst vor kurzem geschieden war? Er traute seinen Augen kaum; es ging über sein Verständnis. Stumm starrte er auf den todkranken Freund, mit dem alle seine Hoffnungen ins Grab sanken.
    Ein schwerer Fall von Lungenentzündung, flüsterte eine leise Stimme neben ihm. Das Bewußtsein kehrt vielleicht noch zurück, aber höchstens auf einige Minuten. Selbst seine eigene Kunst vermöchte ihn kaum zu retten, und die wird er nie wieder ausüben. Sie teilen gewiß meine Ansicht, Herr Kollege. Der Puls – die Temperatur –
    Kameron sah und hörte nichts, er wußte nicht einmal, wer mit ihm sprach.
    Julius, flüsterte er, kennst du mich nicht? Walter Kameron ist bei dir.
    Aber der Kranke vernahm den flehenden Ruf nicht; die fieberglühenden Augen rollten unstät umher, er erkannte seine Umgebung nicht.
    Er verläßt uns auf immer, rief Kameron in bitterem Weh zu dem Inspektor gewandt, das Geheimnis, das er im Innern verbirgt, ist für uns verloren. So lange noch Atem in ihm ist, weiche ich nicht von seiner Seite. Wollen Sie mit mir hier bleiben oder gestatten, daß ich allein bei ihm wache?
    Gryce ist hier, entgegnete der Inspektor. Er hat den Kranken seit gestern abend nicht verlassen und wird mit Ihnen hier bleiben.
    Der Doktor eilte nach dem Telephon, um Nachricht von Hause zu erhalten, und erfuhr, daß der Zustand seiner Frau unverändert sei. Nachdem er befohlen, man solle ihn sofortunterrichten, falls sie zum Bewußtsein erwache, kehrte er an Molesworths Lager zurück.
    Er kennt Sie nicht, flüsterte Frau Olney, und doch scheint er ruhiger, wenn Sie bei ihm sind, hören Sie, er ruft Sie wieder bei Namen.
    »Walter – Walter Kameron,« kam es von des Kranken Lippen. Der klagende Laut schnitt dem starken Mann ins Herz, und seine Augen füllten sich mit Tränen, die sein eigenes schweres Leid ihm nicht hatte auspressen können.
    So vergingen bange Stunden, bis plötzlich eine Veränderung eintrat. Der Sterbende blickte empor, erkannte Kameron und stieß einen tiefen Seufzer aus. Der Doktor beugte sich über ihn:
    Du hast mir etwas zu sagen, Julius, flüsterte er, sprich nur ein Wort, ich will dir's ewig danken. Welche von den Schwestern habe ich geheiratet? Antworte mir, teurer Freund, dann frage ich dich nichts mehr.
    Der Kranke öffnete die Lippen; es war, als wolle er reden, aber er brachte keinen Laut heraus.
    O Gott, stöhnte Kameron in Verzweiflung, muß ich ihn sterben sehen, ohne das rettende Wort zu vernehmen? Julius, du hast Kraft genug, dich zu bewegen. Wenn Genofeva Gretorex mein Weib ist, hebe die rechte Hand empor.
    Die Hand blieb regungslos.
    Wenn es Mildred Farley ist, erhebe die linke.
    Auch diese bewegte sich nicht.
    Kannst du es mir nicht sagen? rief Kameron in wildem Schmerz, oder willst du es nicht tun? Du sagst, du hast mich lieb, beweise es jetzt!

    Aber der Sterbende bewegte sich nicht mehr; nur aus seinen Augen brach ein rührend sehnsuchtsvoller Blick. Da gab der Doktor sein vergebliches Trachten auf; alle selbstsüchtigen Gedanken von sich weisend, beugte er sich niederund küßte mit heiliger Scheu und Zärtlichkeit die Stirn, die schon vom kalten Todesschweiß bedeckt war.
    Ein Strahl unaussprechlicher Freude ergoß sich über das verklärte Antlitz; die Hand, die sich nicht hatte regen wollen, streckte sich nach Walter aus und ruhte einen Moment mit innigem Druck in der seinen.
    Kameron kniete neben Molesworth und flüsterte ihm ins Ohr: Heute früh ist Brigitte Halloran zum erstenmal eine Strecke weit ganz allein gegangen. Den Ruhm dafür erntest du allein.
    Da trat ein glückseliges Lächeln auf die bleichen Lippen, noch ein dankbarer Blick, und die tiefen unergründlichen Augen schlossen sich für immer.
    Es ist vorüber, sagte eine wohlbekannte Stimme neben Kameron in feierlichem Ton. Wir müssen ein anderes Mittel suchen, um die Wahrheit zu ergründen.
    Ein anderes Mittel? Aber welches?
    Kameron stand einige Zeit nachher allein mit Gryce im Wohnzimmer.
    Der Detektiv überlegte. Blieb er nicht immer noch der große Gryce, wenn auch seine Jugend und Blütezeit vorbei war? Es mußte ihm gelingen, der Schwierigkeit Herr zu werden.
    Das langsame Forschen und Erwägen bringt mich um, brach Kameron das Schweigen. Der

Weitere Kostenlose Bücher