Hinter verschlossenen Türen
nur Ihnen und mir selbst die Gewißheit verschaffen, daß Ihre Gattin nicht Herrn Gretorex' Adoptivtochter ist. Der Versuch ist gelungen. Nicht wahr, Sie sind jetzt vollkommen überzeugt?
Ich hatte schon vorher kaum einen Zweifel mehr, versetzte der Doktor. Von dem Augenblick an, als mir eine solche Möglichkeit überhaupt nahegelegt wurde, mußte sie mir einleuchten. Zahlreiche Vorkommnisse aus der Vergangenheit bestätigten die Tatsache. Es waren Kleinigkeiten, die ich damals kaum beachtete; jetzt aber erscheinen sie mir im wahren Lichte, als Beweise der großen und geschickt ausgeführten Täuschung. Alles bestätigt sie mir: meiner Frau Unwissenheit, die sie unter vieldeutigem Lächeln zu verbergen wußte, so daß sie bald als höhere Weisheit, bald als Gleichgültigkeit erschien; ihr schwaches Namengedächtnis,ihre vorgeschützte Kurzsichtigkeit. Wie oft schwieg sie, wenn sie hätte reden sollen, und war gesprächig, wenn man keine Unterhaltung von ihr erwartete; mit launigem Scherz half sie sich aus mancher Verlegenheit; durch ihre Blicke, ihr Lächeln verstand sie die Pausen auszufüllen und abfällige Urteile zu entwaffnen. Die Haltung, die sie Herrn und Frau Gretorex gegenüber angenommen, brachte das Verhältnis auf den Höflichkeitsfuß, bei dem allein sie vor Entdeckung sicher war. Kleinere Gesellschaften zu besuchen vermied sie so viel wie möglich und erschien fast nur in größeren Kreisen, wo kein vertrauliches Gespräch aufkommen konnte; meiner Aufforderung, mir vorzusingen oder zu spielen, wich sie stets unter diesem oder jenem Vorwand aus; sie zeigte ihre Handschrift nicht und sprach nie über persönliche Beziehungen aus früherer Zeit. Jetzt sind mir diese Rätsel alle gelöst; ich weiß nur nicht, worüber ich nachträglich mehr staunen soll, ob über ihre merkwürdige Geschicklichkeit, ihren richtigen Takt, oder darüber, daß ich nicht von selbst auf die Wahrheit verfallen bin. Schon daß sie mir so viel geistreicher, begabter und liebreizender erschien als früher, hätte mich argwöhnisch machen müssen. Von Genofeva Gretorex, wie ich sie kannte, ließ sich eine derartige Umwandlung durchaus nicht erwarten.
Mich nimmt das weiter nicht wunder, entgegnete Gryce. Das förmliche Verhältnis zu Ihrer Braut, während der kurzen Verlobungszeit, gestattete Ihnen keinen genauen Einblick in ihren Charakter. Was etwa an der jungen Frau auffällig war, konnte leicht der Veränderung zugeschrieben werden, welche die Ehe häufig bewirkt. Daß Sie sich täuschen ließen, erscheint mir nicht befremdlich, aber daß ich meinen Irrtum nicht früher erkannte, das macht mir Verdruß.
Aber Sie hatten ja Fräulein Gretorex nie gesehen.
Wohl wahr; aber für einen Detektiv ist das keineEntschuldigung. Ich war von vornherein nicht ohne Mißtrauen und hätte genauer nachforschen müssen, besonders da ich wußte, daß die zwei Schwestern einander zum Verwechseln ähnlich sahen.
Ich finde es sehr begreiflich, daß Sie das Geheimnis nicht gleich durchschauten. Um zu entdecken, was den Augen der Eltern und des Gatten verborgen blieb, hätte es ganz außerordentlicher Gaben und des großen Scharfsinns bedurft.
Gryce sah nicht aus, als fühle er sich nicht im Besitz solcher Gaben, doch antwortete er bescheiden:
Plan und Ausführung zeugen von vollendetem Geschick, das steht außer Frage. Hätte sich Doktor Molesworth zu Genofevas Mitschuldigem gemacht, wäre er auf die Heirat eingegangen, ich glaube Ihr junges Glück würde durch keinen Zweifel gestört worden sein. Wenn Sie auch später diesen oder jenen Mangel an Ihrem Weibe bemerkt hätten, so wären Sie durch die Gewohnheit bereits dagegen abgestumpft gewesen. Sie würden sich zum Beispiel gesagt haben, wie ihre früheren Bekannten jetzt tun: »Genofeva hat sich seit der Hochzeit merkwürdig verändert, aber sie ist ja nicht die erste verheiratete Frau, die ihre Musik aufgibt.«
Höchst wahrscheinlich, meinte Kameron. Auch muß ich gestehen, daß mir ihr feuriges, lebhaftes Wesen fast die Erinnerung an jene Genofeva Gretorex verwischt hat, um die ich mich damals bewarb, und deren Stelle sie eingenommen hat. Freilich hat sie mich hintergangen, aber was sie dazu trieb, war an sich nicht verwerflich; sie handelte ja nicht aus Bosheit des Herzens, –
Gryce trat betroffen einen Schritt zurück.
Fast scheint es, bemerkte er, als sei Ihnen durch unsere Entdeckung eine schwere Last von der Seele genommen!
Und warum nicht? Besitze ich doch jetzt ein Weib,das
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